Mülheim an der Ruhr. . „Junge, werd’ bloß niemals Soldat“, hatte der Mülheimer Fritz Heinrich Schlösser gen. Hauser seinem Sohn geraten. Er selbst hatte trotz Verletzungen die komplette Kriegszeit von 1914 bis 1918 an der Front durchhalten müssen. Der Sohn hielt sich an den Rat - und erinnert sich noch gern an den Vater.

Als Kind war der Krieg für Manfred Hauser ein Abenteuer. „Ich hatte nie Angst“, erzählt der 78-Jährige, der damals mit seiner Familie über der Post in Speldorf wohnte. „Wenn wieder eine Bombe gefallen war, konnten meine Freunde und ich nicht schnell genug hinrennen, um die Splitter zu suchen.“ Spannend fand der Schüler auch die mächtigen Schmöker im Regal des Vaters, die voll waren mit Kriegsgeschichte(n) aus früheren Jahren, genauer aus der Zeit von 1914 bis 1918. Die Begeisterung für schwere Geschütze und heftige Kämpfe ließ mit zunehmendem Alter jedoch nach. Dass Krieg nicht nur toll ist, machte ihm der Vater beizeiten klar. „Er hat immer gesagt: ,Junge, sieh bloß zu, dass du nicht Soldat wirst.’“

Eine Mahnung, die Fritz Heinrich Schlösser gen. Hauser aussprach wegen der eigenen schlimmen Erlebnisse im Ersten Weltkrieg – und wegen der Verbitterung darüber, dass er sehr lange kämpfen musste, um als Kriegsbeschädigter anerkannt zu werden und eine Rente zu erhalten. „Man hatte ihm etwas erzählt von ,Dank des Vaterlandes’ – und dann war’s doch nichts damit“, so der Sohn. Dabei war der Vater durchaus arg beschädigt worden. Das Urteil des Gerichts, das ihm letztlich doch noch 60 Prozent Rente zusprach, listete die Verletzungen auf: Im Juli 1915 traf ein Gewehrgeschoss den rechten Oberschenkel, im August 1916 ein Granatzünder die rechte Körperhälfte und im Oktober 1917 ein Gewehrgeschoss die rechte Hand.

Heimfahrt erst im November 1918

„Die Hand blieb zeitlebens verkrüppelt; er konnte sich nicht mal mehr die Schuhe zubinden“, erinnert sich Sohn Manfred. Der Vater konnte daher auch nicht mehr in seinen Beruf als Gärtner zurückkehren, sondern musste umsatteln zum Postboten. Die Heimfahrt nach Mülheim zur Familie, zu der auch zwölf Geschwister zählten, war ihm übrigens erst am 11. November 1918 gestattet worden. Der Grenadier des in Berlin stationierten und vorrangig in Frankreich eingesetzten Garde-Grenadier-Regiments Nr. 5 hatte trotz seiner Verwundungen bis zum bitteren Ende durchhalten müssen.

„Mein Papa hat eigentlich nie viel erzählt aus dieser Zeit“, sagt Manfred Hauser, „er wollte nichts mehr davon hören.“ Glücklicherweise habe das Erlebte den Vater aber nicht dauerhaft unglücklich gemacht; „er war und blieb lebensfroh“. Er liebte seine drei Kinder – von denen leider zwei jung starben – und unternahm viel mit ihnen: „Er ist zum Beispiel oft mit uns zu ,Püppchen Jäger’ an der Wallstraße gegangen und hat uns Spielzeug geschenkt.“ Fritz Heinrich Schlösser gen. Hauser starb am 25. Mai 1968. In den – von seinem Sohn als einziges Abenteuer erlebten – Zweiten Weltkrieg musste er zum Glück nicht mehr ziehen.

Vater hat vier Jahre „im Mist und Dreck gelegen“

Die dicken Schmöker, die Manfred Hauser als Kind so faszinierten, sind noch immer in seinem Besitz. Sie tragen Titel wie „Der Weltkrieg im Bild“, „Die Stählernen Jahre“ oder „Was wir vom Weltkrieg nicht wissen“ und lagern bei Hausers im Keller. Von Zeit zu Zeit blättert der 78-Jährige gerne in ihnen, „obwohl längst nicht alles sachlich geschrieben ist“. Manches werde „glorifiziert und geschönt“, und dennoch habe die historische Überlieferung ihren Reiz.

Das hat auch damit zu tun, dass in einem der zwei dicken Bände von „Der Weltkrieg im Bild“ sein Vater abgebildet ist. Und ein anderer Schinken allein der Geschichte des „Garde-Grenadier-Regimentes Nr. 5“ gewidmet ist, also just jener Einheit, in der der Herr Papa diente. Dieses Buch habe er damals von der Kommandantur geschenkt bekommen, berichtet Manfred Hauser, der auch noch diverse andere Dokumente aus des Vaters Kriegszeit in seinem Fundus hat.

Als Erwachsener war von der kindlichen Kriegsbegeisterung nicht mehr viel übrig

Die Mahnung des Seniors, nur ja nie Soldat zu werden, hat sich Hauser übrigens zu Herzen genommen. Er ging niemals zum Militär, ließ sich anstelle dessen zum Elektriker ausbilden, heiratete und bekam einen Sohn. Als Erwachsener war auch von der kindlichen Kriegsbegeisterung nicht mehr viel übrig: „Heute denke ich nur noch: Das ist doch Wahnsinn, wie viele Menschen sterben mussten. Ich weiß, dass mein Vater vier Jahre im Mist und Dreck gelegen hat und dass er Angst und Schrecken durchlitten hat.“ So auch damals, als er und andere Soldaten eine Anhöhe am Fluss Somme erobern mussten und geschlagene 80 Stunden im Trommelfeuer lagen. .