Mülheim. . August Lendzian war Musketier in der 7. Kompanie des Infanterie-Regiments Vogel von Falckenstein in Wesel. Was er im Ersten Weltkrieg erlebt hat, verrät sein Militärpass, den Enkel Uwe Lendzian in Ehren hält. Der Mülheimer kannte den Großvater auch noch persönlich - und hat ihn in bester Erinnerung.

Kakawa, 17. bis 20. November 1914: Mit diesem Eintrag im Militärpass endet die Liste der schweren Gefechte, die Musketier August Lendzian im Ersten Weltkrieg durchstehen musste. Zum Glück kann sein Enkel – der Mülheimer Uwe Lendzian – die Sütterlinschrift in dem verwitterten, blauen Heftchen noch heute problemlos lesen. So weiß er auch, warum der Opa der Front schon recht früh den Rücken kehren durfte: „Entlassen infolge von Krankheit am 28. November 1914“, heißt es einige Seiten weiter. Nach gut drei Monaten und sechs Schlachten also war er dem Grauen entkommen.

„Wegen Herzproblemen kam er ins Lazarett“, weiß Enkel Uwe. Der Weg dorthin war weit. Der Großvater hatte mit seiner Einheit an der Grenze zu Russland gekämpft – „sie sollten den Vormarsch der Russen stoppen“ – und nun musste er nach Freiburg. Den mehrtägigen Transport übernahm laut Pass die „2. Genesungs-Kompanie des 2. Ersatz-Bataillons des Landwehr-Infanterie-Regimentes 10“; wie so viele militärische Einheiten damals trug auch sie einen ellenlangen Namen. In Freiburg stellten die Ärzte fest, dass er wegen eines Herzfehlers „dauernd feld- und garnisonsdienstunfähig“ sei. „Man konnte ihn also nicht mal mehr auf eine Festung schicken“, sagt der Enkel, der häufig in dem alten Dokument blättert und das Leben des Großvaters Revue passieren lässt.

Für den 70-Jährigen ist der Pass eine Art Heiligtum

Für den 70-Jährigen ist der Pass eine Art Heiligtum: Die dünnen, leicht verblichenen Seiten erzählen auch manch Unerwartetes über den Mann, der 1882 in Odoyen in Ostpreußen zur Welt gekommen war und 1962 in Mülheim gestorben ist. Sie enthüllen auch Privates, berichten etwa von den ersten zarten Banden, die August zu Maria knüpfte. Die Eltern des Musketiers – also eines Soldaten des untersten Dienstgrades – hatten diese Beziehung eingestielt, „ganz so, wie man das früher eben machte“, erzählt Enkel Uwe. August, der als Bergmann in Buer arbeitete, hatte Vater und Mutter einfach per Brief gefragt: „Habt Ihr nicht eine Frau für mich?“ Und diese hatten geantwortet: „Ja klar, die Maria, das ist ein nettes Mädchen.“

Maria also. Im Militärpass findet sich zwar nicht der Name der Auserwählten, doch ein Eintrag verrät, dass August 1907 eine Wehrübung vorzeitig verlassen durfte – wegen „häuslicher Verhältnisse“. „Dass die kaiserliche Armee die Beziehung unterstützte, hat mich überrascht“, so Lendzian, „das war eine sehrmenschliche Regung.“ Geheiratet wurde kurz darauf, „und Tante Lene galt fortan als Sieben-Monats-Kind“, so Lendzian grinsend. Klar sei, die Großeltern hätten sich vor der Hochzeit bereits näher kennen gelernt. . . Nach Lene kam Grete zur Welt und dann Karl-August, der Vater von Uwe, der später Leiter des Jugendamts Mülheim wurde. Auch Uwe landete in der Verwaltung, als Vize des Umweltamtes.

„Ich kenne ihn nur als liebevollen Menschen“

Die Familie von August Lendzian war übrigens nach Mülheim gelangt, weil besagte Tante Lene dort als Kinderkrankenschwester arbeitete und die Eltern ihren Lebensabend in ihrer Nähe verbringen wollten. Wegen seiner Herzprobleme war Sprengmeister August Lendzian in den 30ern aus dem Bergarbeiterdienst entlassen worden. „Ich kenne ihn nur als liebevollen Menschen, der viel Fußball mit mir gespielt hat und immer ein harmonisches Familienleben pflegte“, sagt sein Enkel.

Was er vom Ersten Weltkrieg weiß, stammt übrigens nicht allein aus dem Pass, sondern auch vom Opa direkt. Anders als andere Männer seiner Generation erzählte er dem Enkel bereitwillig von den Erlebnissen als Musketier.