Mülheim. In Essen macht der „Verein Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten“. In Mülheim will er im September seinen zweiten Kindergarten eröffnen – liegt idyllisch in Ruhrnähe und hat mit Kindern zwischen drei und sechs Jahren eine Zielgruppe, die für das Jugendamt nicht zukunftsfähig ist.
Musik ist in den Kindergärten des Vereins für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten (VKJ) stets ein Schwerpunkt, ebenso „forschendes Entdecken“ und Sport. In dessen neuer Einrichtung wird dies jedoch ergänzt: Die Natur soll den Jungen und Mädchen dort ebenfalls nahegebracht werden. Denn das, findet der stellv. Leiter Andreas Spielkamp, „bietet sich an diesem traumhaften Standort an“. In Ruhrnähe, im Mülheimer Finanzamt, eröffnet der VKJ voraussichtlich am 1. September sein zweites Mülheimer Kinderhaus.
Um erst gar kein Missverständnis auskommen zu lassen: Ein sozialer Brennpunkt ist die Gegend rund um Bleich- und Wilhelmstraße nicht. Wie bereits bei der ersten Mülheimer Einrichtung – die liegt an der Kurfürstenstraße – wurde vom bisher bewährten Vereinskonzept abgewichen. „In Essen sind wir 1970 gestartet mit Kindergärten an Wohn- und Übergangsheimen“, sagt Mareike Schulz, die beim Verein für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. „Dort haben wir auch Jugendcafés und holen Jugendliche von der Straße.“ In Mülheim sei das nicht das Ziel, erklärt sie: „Hier ging es dem Jugendamt eher darum, einen verlässlichen Partner zu finden.“
Bis 1. September soll alles fertig sein
Und Kindergartenplätze in einem Stadtteil anzubieten, in dem sie fehlen: in der Innenstadt. Die bisher in den Räumen untergebrachte Einrichtung wollte sich vergrößern und zog laut Lydia Schallwig vom Amt für Kinder, Jugend und Schule an die Aktienstraße. Und eben weil dort so wenig Raum ist, sieht die Stadt den Standort kritisch. „Für uns ist sie nicht zukunftsfähig“, sagt Lydia Schallwig, „auch weil sie nur Ü3 ist.“
Naturgemäß sehen das die Vereinsmitglieder anders. Sie sind überzeugt, dass gerade Kinder, die älter als drei Jahre – also über (Ü) 3 – sind, in den vergangenen Jahren vernachlässigt wurden. „Die Erfahrung zeigt, dass viele Einrichtungen für Kinder unter drei Jahren (U3) aus dem Boden gestampft wurden und nun ältere Kinder, Vier- oder Fünfjährige, Probleme haben, einen Kindergartenplatz zu finden“, sagt Sonja Backhaus. Sie wird das neue VKJ-Kinderhaus mit dem Namen „Kleine Kröten“ leiten. 50 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren sollen dort in zwei Gruppen von 7 bis 17 Uhr betreut werden. Noch wird renoviert, bis 1. September soll alles fertig sein. Gestartet wird mit einem teiloffenen Konzept. Ob sich das fünfköpfige Team (vier Pädagogen, ein Koch) dem in Mülheim so weit verbreiteten Konzept „Early Excellence“ anschließen wird, ist noch nicht geklärt.
Zwei weitere Kiras für die Innenstadt
Es fehlen Kindergartenplätze für Kinder unter drei Jahren. Das gilt für ganz Mülheim, doch ist der Unterschied zwischen Soll und Haben in der Stadtmitte – also in den Bezirken Altstadt I und II – am größten. Die Situation entspannen sollen zwei Kindertagesstätten, die neu gebaut und voraussichtlich 2016 eröffnen werden.
Auf dem Grundstück an der Auerstraße, das Jugendliche zur Dirt-Bike-Strecke umbauten, soll eine sechsgruppige Kita entstehen. Eine zweite mit ebenfalls sechs Gruppen ist an der Parallelstraße geplant. Das bringt Entspannung, schließt die statistisch vorhandene Lücke jedoch nicht komplett, wie Lydia Schallwig vom Amt für Kinder, Jugend und Schule berichtet: „Rein rechnerisch brauchen wir noch weitere Potenziale.“ Ob die Theorie der Praxis entspricht, wird sich zeigen: „2016 werden wir sehen, wie hoch der Bedarf ist.“
Im Februar nannten Lydia Schallwig und Sozialdezernent Ulrich Ernst im Gespräch mit dieser Zeitung aktuelle Zahlen: Während 96,9 Prozent der 4158 Kinder im Alter zwischen drei und sechs einen Kita-Platz haben, sieht das bei unter Dreijährigen anders aus: Für sie sind 940 Plätze in Kitas und 350 in der Tagespflege vorgesehen. Diesen 1290 Betreuungsplätzen stehen von 3895 Kinder gegenüber. Das entspricht einer Deckung von 33,1 Prozent. Angepeilt ist jedoch eine Quote von 45 Prozent bis 2018.