Mülheim. Die „Tortour de Ruhr“ ist nur was für hartgesottene Sportler. So wie den Mülheimer Langstreckenläufer Marcus Kintzel. Er lief beim Ultramarathon, der von Hagen bis nach Duisburg führt, am Pfingstsonntag die „kurze“ Variante von 100 Kilometern – einige Mitstreiter schafften sogar 230 Kilometer.
„Den Start haben wir etwas verpasst und sind eine halbe Stunde später los. Es lief Musik: „Hells Bells“, wie es sich gehört. Ich fühle mich gut, die Aufregung ist jetzt weg. Auf geht’s.“
Um 4.30 Uhr startet der Mülheimer Langstreckenläufer Marcus Kintzel in Hagen am Sonntag in das Rennen seines Lebens. 100 Kilometer liegen vor ihm, immer an der Ruhr entlang, bis hin zur Mündung in den Rhein. Kintzel, Inhaber eines Laufsportgeschäftes, ist einer der rund 80 Teilnehmer bei der alle zwei Jahre stattfindenden „Tortour de Ruhr“. Unterwegs ist er per Handy zu erreichen. Unter den Ausdauerjunkies gehört der 44-Jährige noch zu den Ottonormalverbrauchern. Die 100-Kilometer-Strecke geht unter dem Prädikat „Bambinilauf“ durch, im Programm sind auch Streckenlängen von 168 und 230 Kilometern. Wer die längste Variante gewählt hat, ist schon am Samstag in Winterberg losgelaufen und bewältigt die gesamte Distanz von der Ruhrquelle bis zur Mündung. Die Veranstaltung zählt zu den härtesten Nonstop-Läufen in Deutschland.
Eine offizielle Einladung ist nötig
„Wir sind jetzt bei Kilometer 36, kurz vor Hattingen. Es ist noch alles ok, ich laufe in einer Vierergruppe, das ist sehr unterhaltsam. Die Beine sind aber schon schwer und man spürt, dass es langsam wärmer wird.“
An einem solch extremen Lauf kann nicht jeder beliebige Hobbysportler teilnehmen – zur „Tortour“ ist eine offizielle Einladung des Veranstalters nötig. Marcus Kintzel ist ein Teilstück der kürzesten Strecke bereits vor zwei Jahren als Begleiter seines Freundes Carsten Klitt gelaufen. Durch ihn war dann auch die Einladung möglich. Dieses Mal ist Klitt einer der vielen Unterstützer, die vorschriftsmäßig an der Seite der Starter laufen. Monatelang hat der Mülheimer trainiert, allein in der intensiven Trainingsphase seit Januar spulte er 1700 Kilometer ab – bis zu 140 in der Woche.
Die Hitze ist der größte Feind
„Wir sind bei Kilometer 58. Es ist jetzt schon unglaublich warm. Man kann gar nicht so viel trinken, wie man ausschwitzt. An den Bergen gehen wir nur noch, liegen aber ganz gut in der Zeit. Die Beine tun weh, wenn der Kopf nicht mehr mitmachen würde, dann müsste ich aufhören. Er macht aber noch mit.“
Die Hitze ist der größte Feind der Sportler an den beiden Tagen des Ultramarathons. Schon um kurz nach zehn zeigt das Thermometer 25 Grad an, entlang der Ruhr sind die Läufer der Sonne über weite Strecken schutzlos ausgeliefert. Ein Liter pro Stunde sollte getrunken werden, nicht jeder bekommt bei der Anstrengung so viel runter gespült. Doch die Läufer sind erfahren, sie wissen, wann für sie Schluss ist. Das Ziel in Duisburg erreicht nur rund die Hälfte der Starter.
Letzte Läuferin erreicht das Ziel am Sonntagabend
Von rund 80 Startern haben am Ende nur rund die Hälfte die Ruhrmündung erreicht. Die Hitze zwang viele zum Ausstieg . Schnellster auf der 230-Kilometer-Strecke war Peter Kaminsky in einer Zeit von 27 Stunden und 19 Minuten. Die letzte Läuferin erreichte am Sonntagabend nach mehr als 41 Stunden das Ziel.
Marcus Kintzel belegte am Ende den neunten Platz über die 100-Kilometer-Distanz. Mit seiner Zeit von 11 Stunden und 32 Minuten war er hochzufrieden. „Mehr war einfach bei den Temperaturen nicht möglich.“ Gewonnen hat den „100er“ Rainer König, er benötigte für die Strecke keine neun Stunden (08:59:34).
„Es geht gar nicht mehr gut. Ohne Begleiter wäre längst Schluss. Zwanzig Kilometer lang hatte ich Magenkrämpfe, wohl wegen der Hitze. Das letzte Stück wird noch mal richtig tragisch, aber das bekomme ich auch noch rum – egal wie.“
„Ich hab die Schnauze voll“
An der Verpflegungsstation in Mintard, direkt unter der A52, ist Kintzel fast am Ende seiner Kräfte. Doch angesichts der Strapazen sehen alle, die hier ankommen, eigentlich spitzenmäßig aus. Frank Witzler, einer der „230er“, setzt sich in die aufgestellten Klappstühle, genießt Kaffee und Waffeln. „Ich hab die Schnauze voll“, sagt er ganz trocken und läuft nach einer kurzen Pause trotzdem weiter gen Duisburg. Das gilt auch für Kintzel, am Ende erreicht er das Ziel in einer Zeit von 11 Stunden und 32 Minuten – total erschöpft, aber überglücklich.
„Es war am Ende ein Krampf. Mir tut von der Hüfte abwärts alles weh. Aber ich bin natürlich glücklich, es geschafft zu haben. Ohne mein Team wäre das nie möglich gewesen.“
TorTour de Ruhr