Mülheim. Markus Püll soll nicht länger Bürgermeister bleiben. Vor allem in Saarn wird Kritik laut. Sie zielt unter die Gürtellinie. Alt-OB Hans Georg Specht spricht von einer Kampagne. Wird Ursula Schröder künftig das Repräsentationsamt übernehmen?

Für nicht wenige in der CDU hat sich die Kommunalwahl wie ein Sieg angefühlt. Nur noch vier Prozentpunkte und zwei Mandate Abstand zur SPD; nie war man näher an dem Machtwechsel, den Parteichef Andreas Schmidt in das ungläubige Schweigen seiner Mitgliederschar schon bei einem Parteitag im vorigen Jahr zum Ziel ausrief. Die Oberbürgermeister-Wahl im nächsten Jahr gilt nun als neuer, möglicher Wendepunkt und vor diesem Hintergrund wird die Frage bedeutender, mit welchem Spitzenpersonal die Fraktion ihre Arbeit aufnimmt. In der heutigen, ersten Sitzung der 15-köpfigen Ratstruppe stehen daher Personalien auf der Tagesordnung, darunter eine, die schon im Vorfeld für erhebliche Unruhe sorgt: Markus Püll soll nicht länger als Bürgermeister der CDU nominiert und gegen Ursula Schröder ausgetauscht werden.

Schon seit 1999 hat Püll, der in einigen Tagen 54 Jahre alt wird, dieses repräsentative Ehrenamt inne und nicht nur aus Sicht der Wähler hat er es gut ausgefüllt. In seinem nicht ganz einfachen Wahlkreis Kahlenberg konnte Püll deutlich an Stimmen zulegen (+ 1,6 Prozentpunkte). Überdies hatte ihn seine Partei auf Listenplatz 3 prominent abgesichert, hinter dem Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Michels und Ursula Schröder, was in der Rangfolge durchaus der Quotengerechtigkeit geschuldet ist, die auch in der CDU ein informelles Prinzip ist. Kritik an der Amtsführung des 53-Jährigen wurde nicht laut und wäre angesichts der Platzierung auch eigentümlich gewesen.

Amt nicht gebührend ausgeübt

Das hat sich jetzt geändert. Vor allem aus Saarn sieht sich Püll dem Vorwurf ausgesetzt, er habe das Amt nicht gebührend ausgeübt. Plötzlich ist von Terminen die Rede, bei denen der Handwerksmeister dem Alkohol zugesprochen habe. Püll selbst wollte das nicht kommentieren. „Ich hätte das nicht für möglich gehalten“, sagte der amtierende Bürgermeister nur.

Andere werden deutlicher. Als „Kampagne“ wertet Alt-Oberbürgermeister Hans-Georg Specht die Ränkespiele. Mit dem bürgernahen Püll großflächig auf Stimmenfang zu gehen, um ihn anschließend eiskalt abzuservieren, das sei „nah an der Wahllüge“, sagte Specht.

Kommunalwahlen 2014Nicht nur der ehemalige Oberbürgermeister sieht die Attacke auf Püll im Zusammenhang mit altbekannten Bestrebungen des Landtagsabgeordneten Heiko Hendriks, auch den Fraktionsvorsitz im Rat der Stadt an sich zu reißen. Tatsächlich hatte Hendriks seit Monaten bereits Wahlkampf in eigener Sache betrieben. Sowohl Schröder als auch die Saarner Ratsherren Frank Blum und Frank Wagner zählen zu seinen Unterstützern. Der eigentliche Dunstkreis um Hendriks ist aber durchaus noch größer. Mit dem städtischen Beigeordneten Peter Vermeulen, mit dem Ratsherrn Eckart Capitain und eben Frank Wagner trifft sich Hendriks regelmäßig - und vermutlich nicht nur zum Kartenspielen.

Der Griff nach dem Fraktionsvorsitz ist abgeblasen

Den Griff nach dem Fraktionsvorsitz hat der ehrgeizige Abgeordnete und Ratsherr allerdings dem Vernehmen nach abgeblasen. Dabei spielte offenbar nicht nur ein Rolle, dass die Zahl der Michels-Befürworter in der Fraktion nie unter acht absackte und Hendriks sich eine Niederlage weder leisten will, noch angesichts seines Alters (48) leisten muss. In der Landes-CDU werden Doppelmandate im Landtag und in Spitzenpositionen der Stadt sehr ungern gesehen, weil sie den Eindruck erwecken, eine der beiden Aufgaben ließe sich auch mit Abstrichen ausfüllen.

Doch auch wenn eine Neuordnung noch nicht mit seiner Signatur gekennzeichnet ist; Hendriks hat in seiner Ratsarbeit oft genug bewiesen, in Optionen zu denken. So ergäbe eine Bürgermeisterin Ursula Schröder (61) für ihn Sinn, ebenso wie es die Oberbürgermeister-Kandidatur seines Kartenkumpels Peter Vermeulen täte. Der hat inzwischen alle Voraussetzungen für einen solchen Schritt getroffen, erklärt sämtliche Bürgerveranstaltungen in seinem Dezernat (Planen, Bauen, Umwelt) zur Chefsache und bietet, wie es Dieter Wiechering (SPD) aufgefallen ist, „jedem das Du an, der nicht bei drei auf dem Baum ist.“

Und die SPD? Tritt Dagmar Mühlenfeld an oder ab?

In einem solchen Kalkül hätte Markus Püll eine „Schwäche“ vorzuweisen: Er hat zwar kein freundschaftliches Verhältnis zu Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld (SPD), aber auch kein angespanntes oder konträres, so wie Vermeulen. Und auch die CDU geht inzwischen davon aus, was in der politischen Logik liegt: Mühlenfeld wird 2015 ein weiteres Mal antreten. Ganz bewusst hatte Mühlenfeld ihre Entscheidung darüber nach der Kommunalwahl angekündigt. Und das Tableau, das sich ihr offenbart, lässt kaum eine andere Handlung zu. Die Fraktion ist geschwächt, die Partei nach dem Rücktritt von Lothar Fink auf Personalsuche, die CDU ist auf Schlagdistanz im Nacken und an einem naheliegenden anderen Bewerber mit SPD-Parteibuch für das höchste Amt der Stadt: mangelt es überdies. Träte Mühlenfeld nicht an, ginge sie das Risiko ein, nach elf Jahren den Machtverlust zu verantworten. Das Risiko dürfte ihr schwerwiegender erscheinen als die Möglichkeit, selbst die Wahl zu verlieren.

Vor diesem Hintergrund also treffen sich heute um 16 Uhr die 15 Ratsverordneten der CDU. Es wird die erste Personalentscheidung nach der Kommunalwahl, die mehr ist als eine Personalie.