Mülheim. . Welche Rolle spielt das Engagement des Kandidaten und wie wichtig ist seine Persönlichkeit? Die Funke Mediengruppe hat mit Politikern gesprochen, die bei der Wahl in ihrem Wahlkreis ein überraschendes Ergebnis erzielt haben, das deutlich vom Trend ihrer Partei abgewichen ist.

Wie wichtig ist die Persönlichkeit des Kandidaten für die Wahlentscheidung? Dass Bürger gerade auf kommunaler Ebene weniger Parteien, sondern in erster Linie Menschen wählen wollen, die sie kennen und deswegen überzeugen, ist eine Einsicht, der auch jetzt wieder von Politikwissenschaftlern und Kommunikationsexperten vorgebracht worden ist.

Das Idealbild des Kandidaten, das dort gezeichnet wird, ergibt ein ein eindeutiges Profil: bürgernah soll er sein, Bodenständigkeit ausstrahlen, kein Streit, sondern vor allem Ergebnisse liefern. Schaut man aber auf die tatsächlichen Beispiele vor Ort, so zeigt sich ein differenziertes Bild.

Heiko Hendriks gewann mit zehn Stimmen Vorsprung

Etwa das Beispiel Broich-Süd: Dort gewann Heiko Hendriks von der CDU mit lediglich zehn Stimmen Vorsprung gegenüber dem SPD-Kandidaten Ulrich Dittmer. Bezeichnend daran ist Hendricks geringer Vorsprung. Denn im Vorfeld hatte die Broicher SPD nämlich fast alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Interne Machtkämpfe, mit der Folge, dass der bisherige SPD-Ratsherr Heino Passmann, der das Direktmandat beim letzten Mal für die SPD holte, sich verbittert zurückzog.

Stattdessen nominierte die Partei mit Ulrich Dittmer einen nahezu Unbekannten. Also von der vom Bürger vermeintlich so geschätzten Bodenständigkeit keine Spur, stattdessen Intrigen. Warum konnte CDU-Kandidat Heiko Hendriks, der immerhin auch Landtagsabgeordneter ist, daraus keinen größeren persönlichen Vorteil in einem bürgerlich geprägten Stadtteil schlagen?

Persönlichkeitsfaktor bei Ramona Baßfeld

Damit der Persönlichkeitsfaktor tatsächlich positiv wirkt, muss offenbar noch etwas anderes dazu kommen. Was es sein könnte, zeigt das Beispiel Ramona Baßfeld. Die Christdemokratin hat mit 37 Prozent, also deutlich über dem Schnitt ihrer Partei, im Saarner Süden, in Selbeck und Mintard gewonnen. Wenn man längere Zeit mit ihr über ihren Wahlkampf spricht, wird deutlich: Der Erfolg liegt darin, dass ihre Wähler in ihr keine Politikerin sehen, sondern vor allem die Nachbarin. „Ich führe Gespräche am Gartenzaun“, berichtet Baßfeld.

„Und es geht auch nicht immer um Politik. Man plaudert über den Garten, den Hund, die Familie. Die Leute wissen aber, dass ich bei Fragen, bei Problemen mit der Stadtverwaltung ansprechbar bin. Und dann kümmere ich mich auch.“ Entscheidend ist für sie: das Gespräch. „Auch wenn ich mich um etwas kümmere und es mal nicht klappt, spreche ich mit den Leuten dann darüber.“ Man müsse immer im Gespräch bleiben, nicht nur im Wahlkampf.“ Und ihre Bilanz: „Für viele bin ich erster Linie die Ramona und dann natürlich auch die Frau von der CDU.“ Von einer ähnlichen Erfahrung weiß auch Peter Beitz zu berichten, der auch mehr Stimmen als die FDP stadtweit bekam: „Viele wählen mich auch, obwohl ich in der FDP bin.“

Der Faktor Persönlichkeit spiegelt sich schließlich auch in der Art des Wahlkampfes wider. Wie wurden hier Kreativität und Einsatz vom Wähler belohnt?

Kreativität im Wahlkampf

Beispiel Daniel Mühlenfeld: Der Sozialdemokrat hatte sich persönlich eingebracht wie wenige. Seinen Wahlkreis hat er zwar auch gewonnen, allerdings mit drei Prozentpunkten weniger als die SPD beim letzten Mal in Heißen-Mitte erhalten hatte. Hat der persönliche Einsatz also nichts gebracht?

Er verhindere zumindest, dass der Einbruch nicht größer war. Dieser Auffassung ist Jan Vogelsang, der als SPD-Kandidat in Holthausen-Süd eine ähnliche Erfahrung gemacht hat. Der 18-Jährige stand als jüngster Kandidat in ganz NRW im Fokus des öffentlichen Interesses wie kein anderer Bewerber. Aber nicht nur in Fernsehbeiträgen wusste er sich in Szene zu setzen. Auch im Wahlkampf vor Ort setzte er sich ein.

Dabei war ihm klar, dass Holthausen-Süd eine CDU-Hochburg ist, in der seine Partei beim letzten Mal noch nicht mal die 20 Prozent-Grenze überschreiten konnte. Also fuhr er bei den Bauern vorbei, machte Hausbesuche. Das Ergebnis: 18 Prozent. „Wir haben so zumindest den Trend nach unten gestoppt. Der Einsatz hat sich also gelohnt. Nur nicht in dem Maße, wie ich mir das gewünscht habe.“ Für Vogelsang steht fest: „Ich werde mich weiter für den Bezirk engagieren und in sechs Jahren wieder antreten.“ Vielleicht ist ja dieser Wille zur Kontinuität auch eine Eigenschaft, die der Wähler einmal belohnen wird.