Mülheim. Der Rücktritt eines Parteivorsitzenden wenige Wochen vor einer Wahl ist normalerweise nichts, wovon Parteien träumen. Die SPD aber nimmt den Abgang von Lothar Fink gelassen auf. Und viele in der Partei erhoffen sich jetzt mehr als einen reinen Personenwechsel.

Nach dem Vorstand der SPD hat auch die organisierte Basis ohne viel Aufhebens Abschied von ihrem bisherigen Vorsitzenden Lothar Fink genommen. Im Unterbezirksausschuss am Dienstagabend, dem Ortsvereinsvorsitzende und Vertreter der Arbeitsgemeinschaften angehören, erntete Fink einen verbalen Dreiklang aus Dank, Anerkennung und Respekt. Wie Teilnehmer berichten, mischte mancher Mitleid in die Bemerkungen.

Fink hatte nach knapp drei Jahren unter Verweis auf die Doppelbelastung als Awo-Geschäftsführer und seine deswegen angegriffene Gesundheit aufgegeben. Aufgeräumt, konstruktiv sei die Atmosphäre gewesen und das änderte sich auch nicht, als Fink den Saal verlassen hatte. Das entsprach ganz der Linie, die die stellvertretende Parteivorsitzende, Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld, schon am Montag vorgegeben hatte: „Das Geschäft geht weiter“. Vordergründig war die Kommunalwahl gemeint. Aber sowohl ihr Blick als auch der Blick vieler reicht weit darüber hinaus.

Teambuilding ist gefragt

„Es geht jetzt um eine personelle und inhaltliche Neuorientierung“, so sagt es Peter Leitzen (65) im NRZ-Gespräch. Leitzen ist Vorsitzender des Unterbezirksausschusses und er hat den Eindruck gewonnen, dass viele in der SPD Finks Abschied als Chance verstehen. „Wir müssen dazu kommen, die Verantwortung auf viele Schultern zu verteilen“, sagte Leitzen. Teambuilding könnte man das im Sport nennen; und es ist durchaus anders gemeint als der ‘Schulterschluss’, der im politischen Sprachgebrauch üblich ist.

Ähnlich hatte sich auch Mühlenfeld geäußert. Sie will nach der Wahl Mitstreiter „mit Potenzial“ zusammenbringen, um den weiteren Weg auszuloten. Leitzen erkennt darin eine Absage an Findungskommissionen für eine Personalie. Es könne jetzt, sagte der Lehrer, nicht darum gehen, eine Person für einen Posten zu finden, ganz so, wie es in der SPD, aber auch in anderen Parteien Tradition ist. „Wir müssen zusammenwirken und dabei alle, gerade die jungen, einbinden und ihnen zuhören“, so sieht er es. Für ihn gilt das innerparteilich, aber letztlich auch im politischen Zusammenspiel mit anderen. „Gesprächsfähig sein“, das erscheint ihm auch angesichts erwartet schwieriger Mehrheitsverhältnisse das A und O. „Es muss jedem klar sein: Es wird anders werden, als es bislang war.“

Auch die anderen Parteien verändern sich

In der Tat beklagen viele im Rathaus, zum Beispiel die Grünen, dass Begegnungen auf Augenhöhe freundlich formuliert nicht zu den Stärken der sozialdemokratischen Führung gehören. Dabei gibt es auch bei den Grünen und in anderen Parteien längst ebenfalls eine Häutung und mithin junge Leute, die die Bruchsituationen seit 1994 (Verlust der absoluten SPD-Mehrheit) nicht erlebt haben und bereit sind, Vergangenes ebendort zu belassen. Auch im SPD-Vorstand etwa sind jene, die den Zwang zur Kooperation als schmerzliche Schmach verstanden haben, längst in der Minderheit.

Die Frage ist mithin, für Leitzen wie für andere, ob die SPD Neubeginn und ob sie sich auf einen Prozess einlassen kann, an dessen Ende erst steht, mit wem und an welcher Stelle. In allen Parteien ist die Gefahr groß, dass jene, deren Stimme für wichtig gehalten wird, gleich eine gedachte Visitenkarte samt Mandat angehängt bekommen. Das wäre für manche Namen wie Rodion Bakum oder Marius Grosser viel zu früh. Und darin liegt nun auch die Aufgabe für Mühlenfeld. Am Montag hatte sie von „geschützten Räumen“ gesprochen, die der Prozess benötigt und allemal erst nach der Wahl.

Ruhrbania alleine ist viel zu wenig

Und ebenso klar ist: Wenn es um Inhalte gehen wird, stehen die schmerzlichen Momente erst noch bevor. Ruhrbania? Ist, wie es die grüne Spitzenkandidatin Franziska Krumwiede schon sagte, „abgehakt“. Neues ist gefragt, neue Themen, neue Sichtweisen; auf die Stadtverwaltung zum Beispiel, die vielen in der SPD immer noch als Partei mit anderen Mitteln gilt; auf den städtischen Haushalt, dessen Verabschiedung die SPD bislang an die CDU gekettet hat; auf die Innenstadt und die Verkehrsprobleme, aber auch auf die Verschmelzung der Stadtpolitik mit der Wissenschaft. Themen, zu denen nicht zuletzt die Jusos Ansätze hatten, die nur bedingt im Mülheim-Plan Einzug fanden, jenem Wahlkampfbrevier, das vor dem Hintergrund der Ereignisse jetzt schon als angestaubt gelten darf.

Am Ende, etwa im Sommer, so erhoffen es sich viele Ortsvereine, wird dann für die Partei die Antwort klarer sein, wofür SPD in Mülheim künftig steht - und damit auch, wer in den Wahlkampf um das Oberbürgermeister-Amt zieht. Mühlenfeld hat eine neuerliche Kandidatur immer abhängig gemacht vom Wahlausgang im Mai. Aus ihrer Sicht gibt es nun erst recht keine Notwendigkeit daran irgendetwas zu ändern.