Mülheim. . Kein Wunder: Die Parteien plagen die gleichen Probleme wie viele Vereine: Ausbgildung, Beruf und Familie verhindern, dass sich junge Leute engagieren. Dabei würden sie ebenso dringend gebraucht wie die „alten Hasen“ mit ihrer großen Erfahrung.

Vielleicht darf man den Sozialdemokraten Alexander Böhm (25) einen Exoten nennen. Er ist der einzige Abgeordnete im Stadtrat unter 30. Kommt er sich da nicht manchmal einsam vor? Der Student lacht. „Nein, ich hab’ außerhalb der Politik zum Glück auch mit vielen Leuten in meinem Alter zu tun.“

Auf 3281 Lebensjahre bringen es die 59 Ratsmitglieder der Ruhrstadt (berechnet auf Geburtstage im Jahr 2013). Im Mittel sind das 55,6 Jahre, zehn mehr als der Altersschnitt der Gesamtbevölkerung von 45,6. Und Mülheim gilt schon als zweitälteste deutsche Großstadt nach Chemnitz. Wie dramatisch dieser Abstand ist, zeigt sich beim Blick in die Altersgruppen: Nur 16 Ratsmitglieder sind jünger als 50, neun haben den 70. Geburtstag schon gefeiert. Rainer Hartmann (CDU) ist mit 73 der älteste. Er kandidiert aber nicht mehr fürs Kommunalparlament.

Die ehrenamtliche Politik plagen die gleichen Nöte wie Kirchen, Vereine und Gewerkschaften. „Wir haben das Problem ja nicht nur bei den jungen Leuten, sondern auch im Mittelbau“, sagt Claus Schindler, Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Leute in den 30ern und 40ern seien heute starken Belastungen im Beruf ausgesetzt, wollen sich um die Familie kümmern. Zeit für Politik, überhaupt für ein Ehrenamt? „Es wird immer schwieriger, das unter einen Hut zu bringen. Oft ist es eine Entscheidung zwischen Karriere und Ehrenamt“, so der Sozialdemokrat.

„Politik können nur die machen, die dafür Zeit haben

„Politik“, ergänzt CDU-Fraktionschef Wolfgang Michels, „können eigentlich nur die machen, die Zeit dafür haben. Das ist schade. Aber so sind die Verhältnisse.“

Auch Böhm, der jüngste im Rat, sieht die Schwierigkeiten, die Engagement verhindern: „Junge Leute sollen heute lernen, flexibel sein und Auslandssemester einlegen. Das passt alles nicht zu einer Verpflichtung über fünf Jahre.“

Man darf sicher in Frage stellen, ob eine grau dominierte Lokalpolitik wirklich ein Nachteil ist fürs Gemeinwesen. Aber das stellen weder Schindler noch Michels in Abrede. „Es ist gut, wenn wir auch erfahrene Lokalpolitiker haben – zumal die vermeintlich Alten heute mit 70 viel fitter sind als früher“, sagt Schindler. „Aber die Mischung macht’s“, findet er. „Ich hätte gern mehr jüngere Leute im Rat“, erklärt Michels. „Die Alten haben unheimlich viel Erfahrung – sind aber oft verfestigt im Denken. Die Jungen haben auch etwas jüngere Ideen . . .“

Mit der Wahl am 26. Mai indes wird sich der Rat wohl verjüngen. Die CDU habe bei der Kandidatenkür auf junge Bewerber geachtet, berichtet der Fraktionschef. Allein bei der SPD kandidieren dann drei von fünf Abgeordneten über 70 nicht mehr, dafür steigt mehr als ein halbes Dutzend neuer Bewerber unter 30 in den Ring. Darunter auch Jan-Nicklas Vogelsang. Er wird kurz vor dem Wahltermin volljährig. Ob er auch in den Rat einzieht, ist ungewiss: Sein Wahlkreis in Holthausen gilt als schwarze Bastion . . .