Mülheim. . Mitarbeiter der Stadtverwaltung Mülheim beklagen einen fortschreitenden Verlust von Respekt. Regelmäßig komme es im Umgang mit Bürgern zu Eskalationen. Nun werden Schulungen durchgeführt, um die Mitarbeiter stark zu machen, souverän und sicher. Und auch Peter-Torsten Schulz mischt bei der Sache mit.

„Früher“, so sagt Dr. Frank Steinfort, „war ein Beamter nahezu unantastbar. Und der Bürger blickte devot zu ihm auf.“ Heute ist das anders, weiß der Personaldezernent.

Der Staatsdiener ist längst auch Diener des Bürgers und darauf bedacht, zufriedenstellenden Service zu bieten. So weit, so gut. Doch was keiner bedacht habe, so Steinfort, sei dieses: Das Umdenken in den Amtsstuben führte auch zu einem Umdenken beim Untertan.

Nach und nach wurde der Ton schärfer

„Der stellte plötzlich fest, ,mir werden ja keine Grenzen mehr gesetzt, und ich kann mir auch mal was rausnehmen’.“ Nach und nach wurde der Ton schärfer und so mancher Kunde sehr viel frecher. Die Mitarbeiter der Stadtverwaltung litten jahrelang – nun aber gibt es Schulungen, die sie stark machen sollen, souverän und sicher.

150 Frauen und Männer aus der Sozialagentur – also dem Bereich, in dem es besonders oft zu Konflikten kommt – wurden bereits geschult. Rund 850 weitere Verwaltungsmitarbeiter, die ebenfalls Kundenkontakt haben, sollen in den nächsten zwei bis drei Jahren mit Rüstzeug ausgestattet werden, um sich wehren zu können.

Wie baue ich Gespräche auf? Welche Worte wähle ich?

In den Schulungen geht es um Fragen wie: Wie verhalte ich mich? Wie baue ich Gespräche auf? Welche Worte wähle ich? „Versucht ein Kunde zum Beispiel, über Lautstärke Druck aufzubauen, dann muss der Mitarbeiter deutlich machen: Bis hier hin und nicht weiter. Jetzt reden Sie wieder leise“, erklärt Personalberaterin Nicole Schlegel, die mitverantwortlich zeichnet für den Inhalt der Schulung und für einen Leitfaden, den jeder als Nachschlagewerk mitnehmen kann.

Kunst von Petoschu als Willkommensbotschaften

Die Schulungen sind intern; doch wichtig seien gerade auch positive Zeichen nach außen, hieß es. Künstler Peter-Torsten Schulz nun liefert diese Zeichen. Seit kurzem hängen im Rathaus – und bald auch in anderen Ämtern – 40 seiner Textkunst-Tafeln.

Sie sollen die Bürger begrüßen, zum Schmunzeln, Nachdenken und Innehalten anregen.

Für Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld ist das Projekt eine Antwort auf gesellschaftliche Veränderungen: „Wir leben heute viel offener, flexibler und freier miteinander – doch nach wie vor muss die Verwaltung auch mal Gesetze durchsetzen.“ Das passe einigen extrem selbstbewusst auftretenden Bürgern nicht. Mühlenfeld spricht von Verrohung der Sitten, inakzeptablem Verlust von Respekt, angstbesetzten Situationen. „Das alles prägt den Alltag im Amt stärker, als ich es mir je vorstellen konnte.“

Gegen rund 60 Menschen, die jegliche gute Umgangsform vermissen ließen, stellt die Stadt jährlich Strafanzeige. Grund sind meist übelste Beleidigungen, hin und wieder auch echte Bedrohungslagen, so Steinfort. In einem vier Jahre währenden Prozess habe man deshalb den Plan erarbeitet, wie Mitarbeiter gewappnet werden können. Nun sei der Weg frei „für einen gedeihlichen Umgang aller“, freut sich auch Dirk Neubner, Personalratsvorsitzender.