Mülheim.

Arbeitszeit verlängert, Urlaubsgeld gestrichen, Weihnachtsgeld gekürzt, Tarifübernahmen verzögert – Rudolf Nass, stellvertretender Vorsitzender des Personalrates im Rathaus und gleichzeitig auch SPD-Betriebsgruppen-Vorsitzender, zählt zuhauf all die Benachteiligungen und Verschlechterungen auf, die die Beamten in letzter Zeit erleben mussten. Dass jetzt auch noch das Tarifergebnis im öffentlichen Dienst für viele nur zum Teil oder auch gar nicht übernommen werden soll, ist für sie der Gipfel.

„Wir erleben hier auch eine mangelnde Wertschätzung“, sagt Nass. Die Unzufriedenheit sei in allen Gesprächen zu spüren. „Es gibt fast kein anderes Thema mehr“, heißt es. Vor der Wahl seien die Beamten hofiert worden, jetzt abserviert. Am Mittwoch wollen die Mülheimer zur Demonstration zum Düsseldorfer Landtag fahren und dort der Mülheimer Landtagsabgeordneten und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft noch einmal Hunderte von Unterschriften vorlegen – Ausdruck des Unmutes.

Hinter der Enttäuschung stehen Zahlen. Rudolf Nass rechnet vor: Wer etwa die Besoldungsstufe A 11 erhalte und damit brutto vielleicht 2800 Euro verdiene, bekomme lediglich ein Prozent mehr Lohn. „Und das bei deutlich steigenden Kosten, und das bei einer der höchsten Arbeitszeiten in Deutschland, und das bei permanenter Leistungsverdichtung.“ Für Nass und die Beschäftigten ein krasses Minusgeschäft in Zeiten, „in denen der Staat so viel Steuern einnimmt wie selten“.

Auch Marc Kleischmann, örtlicher Vorsitzender des Beamtenbundes, erreichen jede Menge Enttäuschungen. Von nachweisbarem Wortbruch der Regierung spricht er und davon, dass es gerade für die Leistungsträger im öffentlichen Dienst immer unattraktiver werde.

„Das sind Leute, die hohe Verantwortung tragen und erleben, dass ihre Partner aus der freien Wirtschaft deutlich mehr verdienen.“ Das Signal an den Nachwuchs hält Kleischmann für fatal, ohnehin werde es immer schwieriger, gute junge Leute zu gewinnen.

Die Beamten in den oberen Gehaltsgruppen bekommen längst Unterstützung von denen, die das Land noch mit einer fünfprozentigen Gehaltssteigerung in den nächsten zwei Jahren versieht. „Viele fürchten, dass nächste Kürzungen alle treffen“, sagt Nass.

Und was sagt der SPD-Betriebsgruppenvorsitzende dazu, dass die Landesregierung betont, Tausende von Stellen streichen zu müssen, wenn sie alle Beamten mit der Gehaltssteigerung beglücken wollte?

„Ich weiß nur, dass bei Polizei, Justiz, in Finanzämtern und Schulen der Bedarf an Arbeitskräften eher größer ist.“ Sollte der Protest erfolglos bleiben, so Kleischmann, werde man den juristischen Weg gehen müssen: Darf ein Arbeitgeber einen Teil der Beschäftigen von Gehaltszuwächsen ausnehmen?