Mülheim. . Am Freitag wird die Klage der geschassten Geschäftsführerin der Awo Mülheim, Adelheid Zwilling, gegen ihre fristlose Kündigung am Landgericht Duisburg verhandelt. Die Awo präsentierte nun einige Vorwürfe. Zwilling soll sich unter anderem auf Kosten der Awo im Karriere-Netzwerk Xing angemeldet haben.
Die Zeit des Schweigens wird am kommenden Freitag, nach exakt 386 Tagen, ein Ende finden: Dann beginnt am Landgericht Duisburg der Prozess um die fristlose Kündigung der ehemaligen Awo-Geschäftsführerin Adelheid Zwilling. Die Arbeiterwohlfahrt hat nun endlich ihre Begründung für die fristlose Kündigung Zwillings zum 1. März 2013 nachgeliefert. Und siehe da: Es spielt auch ein anderer, im Sommer 2013 geschasster Geschäftsführer eine Rolle: Heinz Rinas, der ehemalige Chef der Mülheimer Seniorendienste.
Bis ultimo hat die Awo ihre Motivation, ihre langjährige Geschäftsführerin kurzerhand vor die Tür zu setzen, nicht preisgegeben. Awo-Vorsitzende Helga Künzel hatte stets betont, eine Veröffentlichung könne der Awo zum Schaden gereichen. Sie stellte nur fest, dass die Awo Zwilling keine Straftat, etwa Untreue, vorzuwerfen habe. Doch das Vertrauensverhältnis sei nachhaltig gestört. Zwilling selbst schwieg ebenfalls.
Nun aber, eine Woche vor dem Auftakt des Klageverfahrens Zwilling gegen die Awo, hat der Wohlfahrtsverband dem Gericht seine Sicht auf die Dinge offenbart. Zwilling sieht sich nun mit einem bunten Strauß an Vorwürfen konfrontiert. Wohl der harmloseste: Die geschasste Geschäftsführerin soll sich jede Woche auf Kosten der Awo einen Blumenstrauß für ihren Schreibtisch liefern lassen haben.
Projekt mit Mülheimer Seniorendiensten umstritten
Die Awo sieht im Kern mehrere Dienstpflichtverletzungen. Angeführt ist etwa das umstrittene Projekt mit den Mülheimer Seniorendiensten, rumänische Pflegefachkräfte für ihren Einsatz in Deutschland zu schulen. Hierfür habe Zwilling ohne Rücksprache mit ihrem Geschäftsführer-Pendant Lothar Fink und dem Awo-Vorstand Kooperationsvereinbarungen getroffen, obwohl in dem Projekt für die Awo auch finanzielle Risiken gesteckt hätten. Unter der Hand zu hören war bis dato, dass die Awo mit Deutschkursen in dem Projekt das beste Geschäft aller Beteiligten gemacht hätte.
Adelheid Zwilling: „Es geht um meinen Ruf!“
Adelheid Zwilling brachte gestern im WAZ-Gespräch die Bedeutung des Prozesses für sie persönlich auf den Punkt: „Es geht um meinen Ruf!“ Sie stellte fest: „Ich bin 20 Jahre bei der Awo gewesen. Ich habe der Awo nicht geschadet, ich habe immer im Sinne der Awo gearbeitet.“
Erstaunt habe sie jetzt all die Vorwürfe der Awo zur Kenntnis genommen. Mit ihrem Rechtsbeistand werde sie am kommenden Freitag versuchen, die Vorwürfe „Punkt für Punkt zu widerlegen“.
Auf zwei Vorwürfe ging Zwilling vor der Verhandlung explizit ein. Zum Projekt zur Ausbildung rumänischer Pflegefachkräfte für den Einsatz bei den Seniorendiensten etwa sagte sie, dass dieses für die Awo „finanziell erfolgreich war“.
Ihren Dienstwagen habe auf seine eigene Empfehlung hin Awo-Geschäftsführer Lothar Fink selbst bestellt.
Die Awo wirft Zwilling ferner vor, 2012 ohne Rückkopplung mit Geschäftsführung und Vorstand die Unternehmensberatung eines FDP-Ratsmitgliedes engagiert zu haben. Die ihr 2011 übertragene Aufgabe, die finanzielle Lage des Familienbildungswerkes zu verbessern, soll Zwilling nicht bewältigt haben, trotz mehrfacher Ermahnungen. Vielmehr soll sie im Juli 2012 eingeräumt haben, sie sei mit der Aufgabe überfordert. So habe sie, wieder nicht abgestimmt, in dieser Sache eine Unternehmensberatung eingeschaltet. Noch ein vermeintliches Versäumnis der Dienstpflichten: Zwilling soll sich als zuständige Qualitätsmanagerin nicht um die für eine Zertifizierung notwendige Dokumentation gekümmert haben. Der Awo sei das Zertifikat als Bildungsträgerin beinahe aberkannt worden.
Wiedersehen vor dem Landgericht
Neben den Blumen-Bestellungen für ihren Dienst-Schreibtisch soll Zwilling sich auf Awo-Kosten einen 1700 Euro teuren privaten Englisch-Kurs gegönnt haben, ihre private Mitgliedschaft im Karriere-Netzwerk Xing ebenfalls. Sie habe sich eine „üppige Ausstattung“ mit PC, I-Phone und I-Pad gegönnt, dazu sich vom „gutgläubigen“ Co-Geschäftsführer Fink einen Dienstwagen (VW Tiguan) genehmigen lassen, der ihr laut Arbeitsvertrag (Mittelklasse-Wagen) nicht zugestanden habe. Das Ausgabeverhalten Zwillings habe weder „Maß noch Ziel“ gehabt, heißt es seitens der Awo.
Oben drauf setzt der Verband noch einen Vorwurf, der als einer von mehreren auch Seniorendienste-Chef Heinz Rinas im Sommer 2013 den Job gekostet hat: So soll Zwilling mit ihm ein Förderprojekt in Mazedonien verabredet haben – per Vorvertrag abgesichert, wiederum ohne Absprache mit Geschäftsführung und Vorstand der Awo. Dieser letzte Punkt sei aber nicht mehr maßgeblich für die fristlose Kündigung gewesen. Er sei erst später aufgefallen, so die Awo.
Am kommenden Freitag treffen sich Awo und Zwilling, deren Erscheinen angeordnet ist, um 9 Uhr im Landgericht Duisburg wieder.