Mülheim. Während das Spendenvolumen bundesweit angestiegen ist, zeigt sich in Mülheim ein sehr differenziertes Bild zwischen Stabilität und Stagnation. Die Spender wollen sehen, wohin ihr Geld fließt.
Ganz schön spendabel sind die Deutschen, wenn man dem Deutschen Spendenrat glauben darf. Denn der hat jetzt in seiner Bilanz des Helfens festgestellt, dass 23,5 Millionen Deutsche 2013 4,7 Milliarden Euro für wohltätige Zwecke gespendet haben. Damit ist das Spendenvolumen im Vergleich zu 2012 um 13 Prozent und die Zahl der Spender um 3,5 Prozent angestiegen. Doch wie spendabel sind die Mülheimer? Weil es keine lokale Spendenstatistik gibt, muss man sich mit Schlaglichtern einer Spurensuche weiterhelfen.
Wer sich bei gemeinnützigen Mülheimer Vereinigungen und Einrichtungen umhört, kann bei der lokalen Spendenentwicklung keine eindeutige Tendenz feststellen.
Sowohl von einer Spendenzunahme (Wir für die Mülheimer Kinder oder Tierschutzverein) wird berichtet, als auch von stabilen Spendenzahlen (Diakoniewerk, Hospiz und Vereinte Evangelische Kirchengemeinde) oder von starken Rückgängen der Spendenfreudigkeit, wie etwa bei der Deutschen Multiple Sklerosegesellschaft, dem Deutschen Roten Kreuz, dem Kinderschutzbund und dem Verein für Bewegungsförderung und Gesundheitssport. (VBGS).
Projekte müssen greifbar und nachvollziehbar sein
Es zeigt sich, dass Mülheimer Bürger jedes Jahr mehrere 10.000 Euro spenden und damit soziale und kulturelle Aufgaben mitfinanzieren, die der Stadtgesellschaft zugute kommen.
„Viele Menschen sind heute eher bereit für notleidende Menschen in anderen Ländern als für notleidende Menschen in der eigenen Stadt zu spenden“, glaubt der VBGS-Vorsitzende Alfred Beyer. Tatsächlich weist der Spendenrat darauf hin, dass ein Großteil der Spendenzunahme unter anderem auf die Hilfe für die Opfer des Taifuns Haiyan auf den Philippinen zurückzuführen ist.
Doch nicht nur Ulrich Schreyer vom Diakoniewerk Arbeit und Kultur und Annegret Cohen von der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde sehen auch auf lokaler Ebene eine große Spendenbereitschaft, sobald Projekte greifbar und nachvollziehbar sind.
„Die Leute sind auch heute sehr spendenbereit. Doch man muss mehr tun, sie zum Beispiel auch mit interessanten Veranstaltungen ansprechen, um Spenden zu bekommen“, glaubt Gabriele Beyer vom Verein „Wir für die Mülheimer Kinder“.
Viele Menschen wollen sich nicht dauerhaft festlegen
Das glaubt auch der Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes, Klaus-Jürgen Wolf, der verstärkt auf öffentlichkeitswirksame Informationskampagnen setzen will, frei nach dem Motto: „Tue Gutes und sprich darüber.“ Das strukturelle Problem sieht er, ähnlich wie Christel Schuck vom Freundeskreis Las Torres darin, dass Menschen heute zwar bereit sind für bestimmte Projekte zu spenden, sich aber nicht dauerhaft als Spender, etwa in Form einer Fördermitgliedschaft, auf einen guten Zweck festzulegen.
Die Vorsitzende des Vereins Wir für die Mülheimer Kinder, Gaby Beyer, macht einen bestechenden Vorschlag: „Wie viel Gutes könnten wir in Mülheim bewirken, wenn jeder der 168.000 Mülheimer jeden Monat nur einen Euro für einen wohltätigen Zweck spenden würde?“ Wo und wie Geld für gute Taten gebraucht wird und gut angelegt wäre, machen die nachfolgenden Beispiele deutlich.
Kinderschutzbund musste deutlichen Spendenrückgang verzeichnen
Die evangelische Stiftung Jugend mit Zukunft freut sich über ein jährliches Spendenaufkommen von konstant 6000 Euro. Damit werden Kinder und Familien stark gemacht, in dem man etwa kirchliche Jugendarbeit, Elternkurse, Antigewalttrainings, Hausaufgabenhilfe oder Unterstützung für junge Schwangere finanziert.
Das Diakoniewerk Arbeit und Kultur kann mit Spenden von 9000 bis 10.000 Euro seine Schülertafel finanzieren, die bedürftige Kinder mit einem Frühstück und auch mit Schulmaterial versorgt. Außerdem flossen dem Dikaoniewerk 2013 200.000 Euro zu, die für den Betrieb des stationären Hospizes an der Friedrichstraße verwendet werden konnten.
Der Kinderschutzbund musste 2013 mit 19.200 Euro einen deutlichen Spendenrückgang verzeichnen. 2012 bekamen die Kinderschützer noch rund 30.000 Euro. Er bietet unter anderem eine ärztlichen Beratungsstelle, die Vernachlässigung oder Misshandlung von Kindern vorbeugen und entgegenwirken soll, den Spielpunkt in der Schloßstraße sowie eine Hausaufgabenhilfe und den betreuten Umgang für Eltern und Kinder an.
Zahl der Fördermitglieder beim DRK zurückgegangen
Dagegen stiegen die Spenden für den Verein Wir für die Mülheimer Kinder 2013 um etwa fünf Prozent auf rund 30 000 Euro an. Mit dem Geld wird unter anderem das Elefon finanziert, ein Sorgentelefon der Arbeiterwohlfahrt, die damit Kindern und Jugendlichen Hilfe bietet, die von Misshandlung und sexuellem Missbrauch bedroht sind. Außerdem unterstützt der Verein Kinder, die mit ihren Müttern vor häuslicher Gewalt ins Frauenhaus geflohen sind.
Mit 5000 bis 10.000 Euro schwanken die Spenden für die Arbeiterwohlfahrt auf einem noch sehr ausbaufähigen Niveau. Dabei sind Spenden für die Jugendarbeit im Alten Wachhaus tendenziell leichter zu bekommen als Spenden für die Drogenhilfe oder für die Seniorentagesstätte an der Bahnstraße.
Obwohl das Deutsche Rote Kreuz mit Rettungsdienst, Krankentransporten, Seniorentagesstätte, Hausnotruf, Jugendarbeit, Essen auf Rädern oder Erste-Hilfe- und Schwimmkursen breit aufgestellt ist, ist die Zahl seiner Fördermitglieder seit 1994 von 8000 auf 3700 zurückgegangen. 2013 sanken die so eingenommenen Spenden um zehn Prozent auf rund 260.000 Euro. Das DRK setzt auf verstärkte Information und Aufklärung.
Caritas Sozialdienste konnten mehr einnehmen als 2012
Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG), die ihre Mitglieder zum Beispiel mit Ausflügen und Veranstaltungen aus der sozialen Isolation herausholt, musste 2013 einen Rückgang ihrer Spenden um rund 8000 auf etwa 12.000 Euro hinnehmen. Auch der Verein für Bewegungsförderung und Gesundheitssport, der mit Spiel, Sport und Geselligkeit vor allem Kinder und Jugendliche integrativ und inklusiv fördert, verlor in den letzten fünf Jahren ein Drittel seiner Spenden. Zuletzt lag das jährliche Spendenaufkommen bei rund 20.000 Euro.
Die Caritas Sozialdienste konnten bei ihren zweimal jährlich durchgeführten Haussammlungen 2001 noch Spenden von 81.000 Euro für ihre Sozial- und Bildungsarbeit einnehmen. 2013 waren es nur noch 59.000 Euro, aber 2000 Euro mehr als im Jahr 2012.