Mülheim. Klavier-Virtuosin Anastasiya Titovych aus der Ukraine spielte beim Konzert in der „Villa Zsuzsa“ in Mülheim. Die Pianistin sieht die Rolle Russlands in ihrer Heimat kritisch. Ihr Klavierspiel blieb davon unbeeindruckt: „Kunst ist immer ohne Krieg“, so die Ukrainerin im WAZ-Gespräch.
Wie sanfte Tropfen perlen die Klänge, steigern sich stetig zu spritzigen Kaskaden, um schließlich wie tosende Wassermassen von hoch oben bis in die tiefsten Abgründe der Meere zu stürzen: Klar, kraftvoll und präzise spielt Pianistin Anastasiya Titovych den „Waltz from Faust“ von Franz Liszt – einfach teuflisch gut.
Als die Klavier-Virtuosin vergangenen Sonntag in der „Villa Zsuzsa“ am Flügel sitzt und dabei hoch konzentriert und hingebungsvoll in die Tasten greift, rollen zur gleichen Zeit russische Armeefahrzeuge auf die Halbinsel Krim in der Ukraine ein. Auch wenn sich die 30-jährige Künstlerin Sorgen um einen möglichen Krieg in ihrem Heimatland macht, so merkt man das ihrem wunderbaren Klavierspiel nicht an. Es sind Momente, in denen sich die sensible und zurückhaltende Musikerin ganz ihrem Metier hingibt. „Kunst“, sagt sie später, „ist immer ohne Politik und Krieg“. Es sei unmöglich, „zu spielen und darüber nachzudenken“.
„Die Situation auf der Krim ist schlimm“
Trotzdem findet die junge Frau klare Worte für die russische Invasion in der Ukraine. Sie und ihre Familie leben in Kiew. „In Kiew ist es zwar ruhig, aber die Situation auf der Krim ist schlimm. Die russische Armee gibt es dort überall.“ Die Menschen hätten Angst vor Russland. „Putin sagt die eine Sache und macht die andere.“ Der russische Präsident habe „kein Recht dazu, in der Ukraine einzugreifen“. Dass sich die autonome Republik mehr gen Westen öffnen und einen engeren Anschluss an die EU will, ist Putin dabei offenbar nur ein Dorn im Auge. Die pro-westlichen Bestrebungen ihres Heimatlandes sieht Anastasiya Titovych skeptisch: „Ich weiß nicht, ob die Ukraine schon bereit ist für die Europäische Union, aber es wäre gut für das Land.“
Gestern ist die Künstlerin nach Kiew zurückgeflogen mit dem großen Wunsch im Gepäck: „Ich habe Angst um meine Heimat und ich hoffe, dass es keinen Krieg gibt.“
Pianistin im Ensemble der Nationaloper der Ukraine
Anastasiya Titovych wirkt als Pianistin im Ensemble der Nationaloper der Ukraine mit. Seit ihrem vierten Lebensjahr spielt sie Klavier und wurde schon jung mit Preisen ausgezeichnet. Nach Mülheim kam sie auf Einladung der Konzertgeigerin Zsuzsa Debré und dem Opernagenten Erkki Alste, die einen Workshop für junge Opernsänger aus ganz Europa veranstaltet hatten, dessen Finale in einem Konzert gipfelte.
Im fast familiären Rahmen des großen Musikzimmers in der „Villa Zsuzsa“ an der Boverstraße 4a lauschten gut 50 Zuhörer dem rundum gelungenen und kurzweiligen Konzert: ein locker-leichter Streifzug durch die Welt der Oper, wenn auch mit dramatischen Anklängen – wie im echten Leben.