Bochum. Seit 1987, noch vor Gründung der Städtepartnerschaft, unterhält die Gesellschaft Bochum-Donezk Kontakt in die Millionenstadt im Osten der Ukraine. Die angespannte politische und wirtschaftliche Lage dort bereitet den Ukrainern ebenso Sorgen wie deren Freunden in Bochum.
Jutta Kreutz ist beunruhigt. Vor drei Tagen hat sie zuletzt mir ihrer Freundin in Bochums Partnerstadt Donezk telefoniert. Da war die Situation im Osten der Ukraine schon angespannt genug. Aber jetzt hat sie sich noch verschärft, die Nachrichtenagenturen berichten von Säbelrasseln rund um die nahe gelegene Halbinsel Krim. „Die Sorgen in Donezk sind groß“, weiß die Vorsitzende der Gesellschaft Bochum-Donezk. „Die Leute hören Tag und Nacht Nachrichten und versuchen sich auf verschiedenen Wege über die Lage im Land zu informieren.“ Auch sie selbst, die Vorsitzende der Gesellschaft Bochum-Donezk e.V., verfolgt aufmerksam die Nachrichten und macht sich Gedanken über die Situation ihrer Freunde und Bekannten.
Besorgniserregendes hat Sergej Jakubenko, Direktor des Donezker Fonds für soziale Unterstützung und Mildtätigkeit, vergangene Woche in seiner E-Mail an die Gesellschaft Bochum-Donezk geschildert: „In dieser sehr unruhigen Zeit verschärfte sich in vielen Gebietsstädten die Auseinandersetzung zwischen den einfachen Menschen und Vertretern der Macht. Diese Unruhe ergriff viele Organisation wie die unsere.“
Wirtschaftliche Lage ist beunruhigend
Von offizieller Seite werde zur Ruhe aufgerufen „und die Polizeikräfte lassen keine Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern politischer Kräfte zu“. Dennoch veranstalteten an jedem Wochenende verschiedene Organisationen Meetings in der Stadt. Beunruhigend sei die wirtschaftliche Lage. Das Metallurgische Werk und die Zechen „arbeiten nur mit halber Kraft. Die Menschen fürchten, die Arbeit zu verlieren“.
Schon vor der sich aktuell zugespitzten Lage war die Situation in der Ukraine schwierig genug. Offiziell heißt es zwar, Hilfe aus dem Westen werde nicht benötigt, weshalb etwa die Transporte aus Bochum immer wieder lange vom Zoll unter Verschluss gehalten und spät, manchmal erst nach 90 Tagen, frei gegeben werden. Aber neben Reichen gebe es viele armen Menschen, schildert Jutta Kreutz.
Hilfepakete, die aushelfen sollen
Sie war erst im September mit einer 13-köpfigen Gruppe zu Besuch in Donezk und erzählt ein Beispiel: „Meine Freundin war Dozentin an der Universität und bekommt umgerechnet 90 bis 100 Euro Rente im Monate. Aber die Lebensmittelpreise sind mit denen bei uns vergleichbar. Ich frage mich immer, wie geht das?“
Hilfspakete, die sie persönlich schickt, enthalten daher immer vor allem auch Haushalts- und haushaltsnahe Waren. „Keine Lebensmittel, die sind nicht erlaubt.“ Aber von Seife bis Müllbeuteln so ziemlich alles, was in einem Haushalt gebraucht wird.
Letzter Transport nicht freigegeben
Kleider und andere Güter werden mit den regelmäßigen Hilfstransporten geschickt, die die Gesellschaft Bochum-Donezk auf die Reise schickt und für deren Unterstützung sie Stadt wirbt. Da der letzte Transport aber schon vor vielen Wochen vor Ort angekommen, aber immer noch nicht frei gegeben worden ist, ruht in Bochum momentan die Sammlung für den nächsten Transport.
Im Lager stapeln sich schon die Waren, die eigentlich bald auf die Reise geschickt werden sollten. „Wir warten täglich“, hofft Sergej Jakubenko im fernen Donezk auf die Genehmigung aus Kiew, endlich die Hilfslieferung in Empfang zu nehmen. Dann erst bestehe wieder das Recht, einen Antrag für einen neuen Transport zu stellen. Allerdings habe sich „die Wirtschaft so verschlechtert, dass wir weniger finanzielle Unterstützung erhalten und wir deshalb nicht so schnell das Geld für Transportkosten aufbringen können“.
Die Lage ist nur schwer zu beurteilen
Weil das Geld knapp ist, blieb schon der obligatorische Gegenbesuch aus Donezk in Bochum vor zwei Jahren aus. Auch in diesem Jahr wird aus diesem Grund womöglich keine Delegation nach Deutschland kommen. „Die Leute können das einfach nicht bezahlen“, sagt Jutta Kreutz. Unbeschadet einer politischen Ausrichtungen, große Teile der östlichen Ukraine sind eher Russland-orientiert, interessierte sie daher im Moment vor allem eines: „Bekommen wir weiterhin unser Gas? Und das kommt nun mal aus Russland.“
Gehört habe sie freilich, dass selbst in eher pro-russischen Städten wie Saporischschia oder Dnejpropetrowsk die Sympathie für die neue ukrainische Regierung wachse. „Wie die Lage wirklich ist, ist von hier aus aber nur schwer zu beurteilen“, räumt Kreutz ein.
Telefonleitungen stehen noch
Sie selbst ist froh, wenigstens telefonischen Kontakt halten zu können. Zumindest bislang funktionieren die Leitungen noch.
Im März 1987 gegründet und damit noch vor der offiziellen Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages zwischen den „Revierstädten“, kümmert sich die Gesellschaft Bochum-Donezk e.V. seit langem um Kontakte in die gute 2600 Kilometer entfernt gelegene Millionenstadt und hilft vor allem mit caritativen Projekten.