Mülheim. . 1990 ist er in Kiew als Rodion Pavlovich Bakumenko zur Welt gekommen. Heute heißt er schlicht nur noch Rodion Bakum. Für den 23-jährigen Medizinstudenten aus Mülheim ist die Ukraine sein Geburtsland. Das Interesse für die politischen Auseinandersetzungen dort ist groß.

1990 ist er in Kiew als Rodion Pavlovich Bakumenko zur Welt gekommen. Heute, nach seiner Einbürgerung 2001, heißt er schlicht nur noch Rodion Bakum. Für den 23-jährigen Medizinstudenten ist die Ukraine sein Geburtsland, das er 20 Jahre lang nicht betreten hat. Das Interesse für die politischen Auseinandersetzungen dort aber ist groß. Ein Blick aus Mülheim nach Osteuropa, wo der Großvater auf demokratische Reformen hofft.

Rodion Bakum ist einer jener modernen Europäer, die man immer häufiger antrifft. Er besitzt als anerkannt religiöser Flüchtling die doppelte Staatsbürgerschaft in der Ukraine und in Deutschland, hat dazu russische Vorfahren. Grund für die Emigration seiner Familie 1993 aus der Ukraine waren jüdische Wurzeln am Stammbaum. „Ich bin Deutscher, Ukrainer, Russe und Jude, deswegen bin ich noch längst keine multiple Persönlichkeit“, sagt der junge Mülheimer scherzend. „Das ist einfach meine Identität.“

Integrierter Medizinstudent

Identifikation mit der Ukraine. Als Kleinkind ist Bakum mit Eltern nach Mülheim ausgewandert. Zunächst in eine Asylbewerberunterkunft an der Ruhrorter Straße. Längst lebt die Familie integriert. Bakum selbst studiert Medizin. Die Mutter, die in der Ukraine eine Schuhfabrik geleitet hat, verdient ihr Geld heute als Arzthelferin. Der Vater, in der Heimat Journalist, leitet einen ambulanten Pflegedienst.

Familie Bakum ist ihren Weg gegangen. Ihr Heimatland, die Ukraine, muss ihn noch finden. Der Machtkampf tobt zwischen dem sozialistischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch und der Opposition, deren mediengewaltige Führungsrolle Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko ausfüllt. Die Sympathien sind durch die deutsche Medienberichterstattung klar verteilt, doch Rodion Bakum mahnt: Die Angelegenheit sei „differenzierter zu betrachten“.

Kulturelle und geschichtliche Tatbestände verstehen

Hier der böse Janukowitsch, dort der gute Klitschko. Hier der Pro-Russland-Kurs, dort die Zugewandheit nach Europa. So einfach sei die Sache nicht, sagt der 23-Jährige, der den politischen Machtkampf und die Unruhen in seinem Geburtsland aus gut 1800 Kilometern Entfernung beobachtet und jüngst gar mit fast 20 Teilnehmern ein Seminar zum Thema abgehalten hat.

Um den Konflikt zu verstehen, sagt er, müsse man sich die kulturellen, geschichtlichen Tatbestände des Landes zwischen den östlichen und westlichen Bündnissen vergegenwärtigen. Lange unterdrückt, erst seit 1991 unabhängig, ethnische Konflikte, nationalistische Anwandlungen, um sich greifende Korruption, Autoritätsgläubigkeit. . . Für Bakum alles Stichpunkte, ohne die der aktuelle Konflikt in der Ukraine nicht zu erklären ist – und die eine Lösung schwierig machen. „Auch in Deutschland hat die Etablierung der Demokratie lange gedauert“, sagt er. Auch mit der Ukraine müsse man Geduld haben.

Keine Partei ergreifen

Im aktuellen Konflikt mag der junge Mülheimer kaum Partei ergreifen. Korruption, ein Grundübel, sagt er, hafte schließlich sowohl dem Janukowitsch-Lager als auch dem Lager um die inhaftierte Julija Tymoschenko an. Dem konservativen Klitschko sei ja noch abzunehmen, dass dieser gegen die Korruption angehen werde. Andererseits paktiere dieser für den Umsturz mit den Nationalisten, wolle den Föderalismus, der Minderheiten Schutz gebe, abschaffen. . . Sorge macht Bakum, wenn er die Demonstranten auf dem Maidan in Kiew „Ukraine, Ukraine über alles“ skandieren hört.

Denkt der junge Mülheimer an die Ukraine, trägt er aber auch Hoffnung in sich: „Die Ukraine besteht erst seit 22 Jahren, gerade für die Älteren dort ist die Demokratie noch fremd. Aber die jungen Leute streben danach.“