Mülheim. . Zum Tag der Muttersprache berichtet Ulrich Rädeker, Baas der Bürgergesellschaft Mausefalle, vom aussterbenden Mülheimer Platt „Mölmsch“ – einer Sprache, die früher auf der Straße gesprochen wurde. Heute wird Platt an der VHS gelehrt.
Mölmsch – das kommt Mülheimern wohl eher an den Gaumen als über die Lippen. Das lokale Bier ist den meisten ein Begriff, bei der gleichnamigen Sprache hapert’s dagegen. „Mölmsch ist wie eine Fremdsprache“, sagt Ulrich Rädeker. Als Baas der Bürgergesellschaft Mausefalle steht er der ältesten Institution in Sachen Mülheimer Mundart vor und begleitet Mölmsche Sprachkurse an der VHS. Zum heutigen Tag der Muttersprache berichtet er vom aussterbenden Mülheimer Platt.
Es klingt nach Eigenbrötlerei, wenn Ulrich Rädeker Mölmsch als „Inselsprache“ bezeichnet, „die nur in Mülheim gesprochen wurde. Schon in Kettwig oder Duisburg wurde das kaum noch verstanden.“ Dennoch hörte man Mölmsch im 19. Jahrhundert überall auf Mülheimer Straßen. „Es war die Umgangssprache“, sagt Ulrich Rädeker. „Viele Kinder lernten erst in der Grundschule Hochdeutsch.“ Das galt für alle Schichten: „Um die Jahrhundertwende konnten auch die Großkopferten die Mülheimer Mundart. Auch Mathias Stinnes sprach Platt.“
"Die Mülheimer Mundart ist ein Kulturgut"
Überhaupt Stinnes: Laut Ulrich Rädeker, der auch Mitglied im Mülheimer Geschichtsverein ist, kamen durch seinen Erfolg holländische und französische Einflüsse ins Mölmsch. Immerhin fuhren Mülheimer durch Europa, um Kohle zu verschiffen. Vom Ruhrgebietsdeutsch, sagt Rädeker, ist hingegen nicht so viel angekommen: Klar macht man auch hier Fisimatenten, fragt „Wat“ oder „Kommse?“, aber sonst geht es eher Hochdeutsch zu. „Döppen“ ist auch ein Beispiel für Ruhrpottslang, der in Mülheim gebraucht wird. Als Verb bedeutet das, jemanden unterzutauchen.
In der Mülheimer Mundart gibt es das auch als Nomen, bei dem das Ö laut Rädeker fast wie Ü ausgesprochen wird: „Das ist jemand, der ein wenig tollpatschig ist.“ Wer Mölmsch lernen will, muss also bereit sein Vokabeln zu pauken – und Mölmsche Rechtschreibung. Die an der VHS unterrichtete basiert auf dem Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre unter Mülheimer Beteiligung erarbeiteten „Rheinischen Dokumenten“, die die Schreibweise von Mundarten festlegen. Das unbetonte E wird da beispielsweise unterstrichen. Es gibt weder ein V, noch ein Z. Spricht man SCH wird’s auch geschrieben, weshalb es in Mundart schprechen heißt.
All das macht verständlich, warum Ulrich Rädeker Mölmsch als eine Fremdsprache bezeichnet, bei der man zwar kaum Grammatik aber dafür jede Menge anderes büffeln muss. Dennoch lohnt sich die Mühe, ist der ehemalige Lehrer überzeugt: „Die Mülheimer Mundart ist ein Kulturgut.“
Vom Klang begeistert
Noch bis in die 1920er Jahre, sagt Ulrich Rädeker, wurde in Mülheim Mundart gesprochen. Doch in den 1930er Jahren, mit dem Beginn des Dritten Reichs, galt es als unschick Platt zu sprechen: „Dann bekam die Mundart eine soziale Färbung, die sie vorher nicht hatte.“ Nur 20, 30 Jahre habe es gedauert, um Mölmsch in Vergessenheit geraten zu lassen. „Heute ist Mölmsch zum Tode verurteilt.“
Rädeker selbst hörte Platt zum ersten Mal von einem Nachbarn und war vom Klang gleich begeistert. Seit 1994 beschäftigt sich der Lehrer, der u.a. an der Gesamtschule Saarn unterrichtete, mit der Mülheimer Sprache und unterstützt auch den von Hans Schmitz geleiteten VHS-Kurs, der sich mit Mölmsch beschäftigt. Der sucht übrigens Mitstreiter: „Interessierte können jederzeit dazukommen.“