In Kursen an der Volkshochschule wollen die Mülheimer wieder Mölmsch Platt lernen
Von Katrin Schlusen
Die Neulinge schauen ihn mit großen Augen an. Sie überlegen, was der ältere Herr zu ihnen gesagt haben könnte. Das können sie nicht so recht einordnen. „Ek sin der Ernst”, sagt der Mann, als er händeschüttelnd durch die Reihen geht. Auf Hochdeutsch: „Ich bin der Ernst”. Ein Test, was die Neuen können. An diesem Abend beginnt in der Volkshochschule der Kurs „Mölmsche Plat(t)” – die Mülheimer Mundart. Wie voll die Sitzreihen werden, überrascht selbst den Kursleiter Hans Schmitz. Er kommt auf 31 Namen; so voll war es hier noch nie. Jemand stellt fest: „Unser Kreis wird jünger.” Darauf gibt es prompt die Antwort: „Na, dat war ja nich' schwierich.” Die meisten Kursteilnehmer sind Senioren und haben das Mölmsche Platt noch in ihrer Kindheit gesprochen, mit den Eltern oder mit der Oma. Dagegen kennen die meisten Neuzugänge die Mundart gar nicht mehr, oder nur noch aus der Kneipe. „Als Alt-Mülheimer muss man das doch können”, sagt Miguel, der zum ersten Mal mit dabei ist. Und sein Bruder Stefan ergänzt: „Das ist ein Heimatgefühl.” Doch trotz der Heimatgefühle geht es im Kurs ganz und gar nicht bedächtig zu. Gerade die Älteren haben jede Menge Spaß und kichern wie die Teenager. Als etwas später die Tür aufgeht und ein Mann schnell in den Raum huscht, da sagt Ernst: „Wir haben unseren eigenen Pastor, ist das nicht toll.” Das war noch auf hochdeutsch. Vieles, was er sagt, ist aber auch im Dialekt. Man erkennt an seinen spöttischen Augen, dass es wieder ein neuer Schalk ist – aber richtig verstehen können es nur die Eingeweihten. Dazu zählt auch Ulrich Rädeker. Er erklärt das komplizierte Verschriftlichungssystem, die „Rheinische Dokumenta”. Da wird alles so geschrieben, wie es gesprochen wird. Mölmsch Platt wird zu „Plat”, Stadt wird zu „Schtat” und Zeitung zu „Tsaitung”. Es werden auch direkt die wichtigsten Verben gepaukt, sein und haben: Ek sin, dou bös, he ös, wei sint . . . Aber neben dem Sprachunterricht liefert Kursleiter Hans Schmitz auch viele Hintergrundinformationen zur Mundart. Bis zum zweiten Weltkrieg war das Mölmsche eine lebendige Sprache. Allerdings war das Platt immer die Ausdrucksweise der einfachen Menschen. „Es war eine Sprache der Bauern, Handwerker, Bergbauer und Schiffer”, erklärt Schmitz. Ein Teilnehmer erzählt: „Meine Eltern legten Wert darauf, dass ich Hochdeutsch sprach”. Zum Abschluss der Stunde trägt Schmitz noch eine Geschichte in der Mundart vor. Und tatsächlich: mit der Zeit hört man sich rein. Da sind die Schneider Op der Flych und Mellinghoff, die ihren Kunden über den Tisch ziehen und aus dem mitgebrachten Stoff gleich auch eine Hose („Bucksche”) für ihre Kinder nähen. „Ich persönlich habe den Eindruck, die Sprache geht den Bach runter”, sagt Schmitz. „Aber wenn ich so junge Leute wie euch sehe, dann habe ich Hoffnung.”