Mülheim. . Die Stadt kann den Ganztagsbedarf nicht erfüllen. Mütter und Väter wissen nicht, wohin mit den Kindern am Nachmittag. Der Rat hat die Gelder gedeckelt .

Der Brief, den die Familie Walter in Saarn von der Grundschule erhalten hat, klingt zunächst gut: „Wir freuen uns, dass Ihr Kind zum Schuljahr 2014/15 an unserer Gemeinschaftsschule am Oemberg aufgenommen wird.“ Die Aufnahme in eine Ganztagsklasse könne man jedoch nicht bestätigen. Die Entscheidung, ob es so eine gibt, stehe noch aus, schreibt die Schulleiterin. Die Familie Walter wie andere ahnen das Schlimmste: Künftig steht ihr Kind ab mittags ohne Betreuung da. Für Eltern sind das bittere Absagen.

„Wir sind beide berufstätig, hatten einen Kindergartenplatz bis 16 Uhr – und jetzt an der Grundschule soll mittags Schluss sein! Was ist das für ein Konzept“, fragt sich Thomas Walter und denkt an die Wahlversprechen: „Wir lassen kein Kind zurück.“ Nicht nur er und seine Frau sind auf Betreuung angewiesen. „Für uns entstehen existenzielle Probleme, unsere Jobs hängen an einer guten Betreuung“, klagt Anja Seidel, eine Mutter aus Saarn, und fühlt sich gegenüber anderen schlicht benachteiligt.

200 Kinder konnten bislang nicht berücksichtigt werden

Ausweichmöglichkeiten an Nachbarschulen sind kaum gegeben. „Und wer fährt schon einen Erstklässler morgens durch die halbe Stadt“, fragen sich Eltern. „Wir werden eine Tagesmutter suchen und anstellen müssen“, sagt Walter. Doch auch da ist der Markt nicht gerade üppig gesät. In Saarn, wo viele Familien in die Neubaugebiete gezogen sind, gestaltet sich das Problem auch noch aus einem anderen Grund als sehr schwierig: Großeltern, die hier und da mal einspringen, wohnten oft weit entfernt.

Im Schulverwaltungsamt kennt man die Sorgen: Derzeit werden stadtweit in 90 Gruppen an Grundschulen 2120 Kinder im Ganztag betreut, 200 Kinder konnten bislang nicht berücksichtigt werden und zum kommenden Schuljahr, so Amtsleiter Uwe Alex, haben weitere vier Schulen Gruppen beantragt. Die Stadt schlägt vor, an der Lierbergschule und an der Pestalozzi-Schule Gruppen einzurichten, da dort der Überhang am größten sei und beide Schulen, so Alex, sich auch intensiv um Inklusion bemühten.

Ganztag kostet jährlich 2500 Euro pro Kind

Durch Personalverschiebungen ließen sich dort die erforderlichen Kräfte bereitstellen. Für die Grundschulen am Oemberg und am Schildberg müsste hingegen weiteres Personal eingestellt werden – gerade das geht nicht. Der Rat der Stadt hat im Dezember beschlossen, dass der Etat für offene Ganztagsschulen nicht erweitert werden darf. Folglich gehen nach jetzigem Stand weitere 38 Kinder leer aus.

Es sind in erster Linie die Personalkosten, die den Ganztag teuer machen: 2500 Euro pro Kind und Jahr muss die Stadt neben den Elternbeiträgen aufbringen, und das in der Regel dann für vier Jahre. „Ich bin für jeden Vorschlag zur Lösung dankbar“, sagt Meike Ostermann (FDP), die Vorsitzende des Bildungsausschusses, der am Montag das Problem diskutieren wird.

Anders als viele andere Kommunen leistet sich Mülheim in der Kinderbetreuung einen hohen Personalschlüssel. „Manchmal dreimal so hoch wie anderswo“, sagt Alex. Politik und Verwaltung hatten sich auf hohe Qualitätsmaßstäbe geeinigt. „Wir wollen keine Verwahrung von Kindermassen in irgendeinem Keller“, sagt Meike Ostermann, „sondern gute Pädagogik“.