Mülheim. . Der SPD-Bundestagsabgeordnete Arno Klare plädiert nach Berliner Vorbild für ein engeres Netz und kürzere Taktzeiten: Das Bessere Angebot locke mehr Kunden und sorge für weniger Miese. Chef der BHM urteilt: Wirtschaftlich nicht darstellbar, weil zu viele Fahrgäste mit Dauerkarten unterwegs sind.

Für ein Umdenken beim ÖPNV plädiert der SPD-Bundestagsabgeordnete Arno Klare. Er erlebt zurzeit die Vorzüge der Berliner Verkehrsgesellschaft, die jährlich 937 Millionen Menschen in der Hauptstadt bewegt, und im Jahr 57 Mio. Miese macht. Verglichen mit der MVG, die jährlich 28 Mio. Euro Zuschuss braucht, ist das wenig für eine Stadt mit 22mal mehr Einwohnern. Doch für Klare kein Wunder: Busse, Bahnen, U-Bahnen und die Tram fahren „so massenhaft, dass die Einnahmen aus dem Ticketverkauf die operativen Kosten nahezu decken“.

Heißt für den Bundestagsabgeordneten: Die MVG muss mehr fahren als jetzt. Und sie muss gut erreichbar sein: „Kein Berliner wohnt weiter als fünf Gehminuten von einer Haltestelle entfernt.“ Und in den Kernzeiten müsse er nie länger als zehn Minuten warten. Klare plädiert daher Richtung Mülheim: „Nicht das Abspecken des Netzes, nicht die Ausdünnung der Taktes, nicht die Verminderung von Qualität rettet einen Verkehrsbetrieb, sondern – für manchen Betriebswissenschaftler eventuell ein Paradoxon – die Ausweitung des Netzes, die Verdichtung der Takte und damit die Verbesserung der Qualität.“

Die Lösung – Mach´s kleiner, dann wird´s billiger! – hält der Bundestagsabgeordnete für einen gefährlichen Weg. Gerade das müsse gestoppt werden. In Mülheim, seinem Wahlkreis, sieht er die Trendwende noch nicht. Die Mobilität von Morgen müsse eine ÖPNV-basierte sein. „An diesem Morgen wird in Mülheim, was den ÖPNV angeht, bisher nicht gebaut.“

Zwei Jahre intensiv über Nahverkehrsplan debattiert

Stadt plant weiteres Gutachten

Die Stadt will bis Ende 2014 in Zusammenarbeit mit der Beteiligungsholding Mülheim, der MVG und externen Gutachtern eine mittel- bis langfristige Investitionsstrategie für den schienengebundenen ÖPNV erarbeiten. Dazu soll der Rat in seiner nächsten Sitzung den Auftrag erteilen. Die Frage, in welchem Umfang die Stadt Schienenverkehr in Zukunft vorhalten muss, soll unter verschiedenen Aspekten beleuchtet werden. Dazu gehören die demografische, verkehrliche, technische Entwicklung sowie die wirtschaftliche Einschätzung der Investitionsplanung, Aspekte der Stadtentwicklung, der Ökologie und Fragen der Rückzahlung von Fördermitteln.

Dabei hat die kommunale Politik in den vergangenen zwei Jahren intensiv über die Gestaltung des neuen Nahverkehrsplanes debattiert, einen solchen verabschiedet. Ein großer Wurf wurde es nicht. Seit einigen Jahren wird zudem versucht über den Verbund Via mit den Nachbarstädten Essen und Duisburg das Nahverkehrsangebot zu verbessern – und zu Einsparungen zu kommen. Die MVG modernisiert in den nächsten Jahren ihren zum Teil sehr maroden Fuhrpark. Doch die Defizite bleiben hoch, drohen gar drastisch zu steigen.

BMH-Chef: Ausweitung des Netzes ist kein Ausweg

Einen Ausweg in der Ausweitung des Netzes, in der Verdichtung der Takte sieht Hendrik Dönnebrink, Chef der Beteiligungsholding Mülheim (BHM), unter deren Dach die MVG steht, nicht. Die MVG erziele Einnahmen im Jahr von etwa 23 Mio. Euro. Davon, so Dönnebrink, entfielen 75% auf Nutzer, die „Pauschaltickets“ haben. „Dies sind Tickets, die zu keinen Mehreinnahmen führen, wenn der Fahrgast – bei einer zusätzlichen Ausweitung des Angebots der MVG – öfter den ÖPNV nutzt.“

Aus Sicht von Dönnebrink müsste daher die Ausweitung von Strecken und die Verdichtung des Taktes ausschließlich über neue Kunden refinanziert werden. „Dies ist wirtschaftlich nicht darstellbar.“ Dönnebrink sieht wie der Kämmerer Uwe Bonan einen Ausweg in der Mülheimer ÖPNV-Misere vor allem in einem mittel- und langfristigen Umstieg von Schiene auf Bus. Auch das ist nicht unumstritten.