Mülheim. Obwohl es der Mülheimer Innenstadt und auch den Wirten nicht gut geht, kassiert die Stadt für Außengastronomie die höchsten Abgaben im Ruhrgebiet - knapp unter Preisen für die Düsseldorfer Kö. Gastronomen bitten jetzt um Nachlass: 4,60 Euro pro Quadratmeter im Monat seien einfach zu viel.
Kann sich Mülheim an der Düsseldorfer Kö messen? Ein Vergleich wirkt absurd, auch wenn ältere Mülheimer sich an Zeiten erinnern können, als hier die Innenstadt noch vital war und Kunden aus einem weitem Umkreis anzog. Das ist lange her. Man muss nur ein Blick auf die Zahlen werfen (s. Grafik). Auf der Kö werden in der Stunde knapp 6000 Passanten gezählt, in Mülheim waren es auf der Schloßstraße zuletzt knapp 1000, von der Leineweberstraße ganz zu schweigen. Und es gibt Einkaufsstraßen in der Landeshauptstadt, auf denen drängeln sich noch wesentlich mehr Kunden als auf der Prachtmeile.
Und doch gibt es eine Zahl, mit der Mülheim Düsseldorf von allen Ruhrgebietsstädten am dichtesten auf den Fersen ist: der Sondernutzungsgebühr. Das ist die Abgabe, die Gastronomen zahlen müssen, damit sie Tische und Stühle zur Bewirtung vor die Tür stellen können. Der Unterschied beträgt einen Euro.
Restaurantbetreiber wendet sich an Politik
Streng genommen ist es gar keine Gebühr, denn eine Leistung wie etwa bei den Müllgebühren, die kostendeckend erhoben werden müssen, gibt es nicht. Es handelt sich vielmehr um eine Abgabe. Wo viele Passanten unterwegs sind, ist sie sogar sinnvoll, denn sie kann verhindern, dass die Flächen komplett mit Stühlen und Tischen vollgestellt werden. Dann profitiert die Stadt auch von dem regen Treiben. Aber dort, wo das Treiben alles andere als lebendig ist, schnürt sie den Gastronomen noch die Luft zum Atmen ab. Man muss nur an die vergeblichen Anstrengungen in der Palette am Kunstmuseum denken.
Eine florierende Außengastronomie ist für die direkten Nachbarn in den Sommermonaten zwar ganz und gar kein Vergnügen, sie macht aber die Lebendigkeit und das Flair einer Stadt aus. Und das sind zwei Faktoren, mit denen die Innenstadt nicht gerade punkten kann. Viel gibt es nicht mehr: zwei angesagte und interessante Kaffeebars, zwei Eiscafés, zwei italienische Schnellrestaurants, das Rick’s am Synagogenplatz, Pinchos und Leonardo. Rajesh Luthra, Betreiber der beiden zuletzt genannten Lokale, hat jetzt die Initiative ergriffen und sich in einem Brief an Politik und Verwaltung gewandt. Seine Bitte: die Abgabe zu senken.
Was wäre wenn?
Eine drastische Senkung der Abgabe oder gar ihr Wegfall, bedeutet das nicht eine schiere Subvention für die Gastronomen? Nicht ganz. Luthra macht folgende Rechnung auf: Selbst wenn er die Sonderzahlung für Außengastronomie nicht zahlen würde, ginge die Stadt keineswegs leer aus. Denn von jedem Euro, der zusätzlich in der Kasse bleibt, führt er 40 Cents ab - allein 15 Cents als Gewerbesteuer an die Stadt und 25 Cents als Einkommenssteuer ans Finanzamt. Auch davon erhält die Stadtkasse einen ansehnlichen Anteil.
Angebot schafft Nachfrage
Lebendige Viertel, wo viele Menschen ihre Abende verbringen, sind unter anderem das Bermuda-Dreieck in Bochum, wo der Quadratmeter Außengastronomie mit 3,30 Euro veranschlagt wird, und Essen-Rüttenscheid, wo der Kurs bei 3,20 Euro liegt. In Mülheim sind es 4,60 Euro. Für Luthra lag die Belastung im vergangenen Jahr für seine beiden Standorte bei über 6100 Euro für 220 Quadratmeter, wobei er die Außenfläche für das Leonardo nur für sieben Monate beantragt hatte.
Diese Summe muss er erst einmal erwirtschaften, was immer schwieriger wird. Denn nicht nur die Kundenfrequenz in der Innenstadt nimmt ab, auch das Nichtrauchergesetz hat sich deutlich bemerkbar gemacht. Luthra schätzt den Umsatzrückgang dadurch auf ein Drittel. Viele Stammkunden, die nachmittags auf einen Kaffee kamen, haben ihm ihr Fernbleiben auch mit dem Nichtrauchergesetz erklärt. Er beschäftigt deshalb auch weniger Personal als früher.
Müsste die Stadt, wenn sie es mit der Belebung der Innenstadt ernst meinte, die Sondernutzungsgebühren nicht massiv senken oder sogar auf Null setzen, um für Gastronomen ein Zeichen zu setzen? nach dem Motto: Angebot schafft Nachfrage? Luthra stimmt zwar zu, will aber bewusst keine Forderung stellen. Die Gastronomen in der Innenstadt, mit denen er sprach, unterstützen aber seinen Vorstoß.
Es sind ja auch nicht mehr so viele.