Mülheim. Das Aktuelle in der Antike findet der Schweizer Regisseur Achim Lenz. Er inszeniert „Bellum civile“, ein klassisches Epos von Marcus Lucanus, mit einem ausschließlich weiblichen Ensemble und zeigt im Mülheimer Ringlokschuppen die Qual traumatisierter Menschen – in arhythmischen Hexametern.
Der Erste Weltkrieg jährt sich 2014 zum 100. Mal. Um sich diesem vor einem Jahrhundert Geschehenen anzunähern, greift der Schweizer Regisseur Achim Lenz auf die Antike zurück und findet in einem fast 2000 Jahre alten Epos ungeahnte Aktualität. Im Januar wird sein Chortheater „Der Bürgerkrieg“ zunächst in der Schweiz uraufgeführt, bevor es im Ringlokschuppen Deutschlandpremiere feiert.
Den römischen Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeus stellte der Dichter Marcus Anneus Lucanus (39-65 n. Chr.) in den Mittelpunkt seines Epos’ „Bellum civile“. Auch damals trennten Krieg und Kunstschaffenden knapp 100 Jahre, und Lucanus’ Text war ein Kommentar über seine eigene, ihm zu dekadente Zeit. Von „Vergangenheitsbewältigung“ spricht Achim Lenz in diesem Zusammenhang, und so beschreibt das Stück die „Traumatologie eines Kriegs“, lässt traumatisierte Menschen zu Wort kommen.
Klassische Erzählform des Chores wird beibehalten
Lucanus tue dies, so der Regisseur, in einer „überbordenden Sprache“. Vom Hundertsten kommt er ins Tausendstel und blickt vom großen Gesamtbild somit immer mehr ins Detail. Aus dem Leid der Gesamtgesellschaft wird das Einzelschicksal herausgearbeitet. Der 2000 Jahre alte Text werde dadurch ein „moderner, fast schon futuristischer“.
Achim Lenz behält dabei die klassische Erzählform des Chores bei – bricht aber dennoch mit dem Erwarteten, wie es Lucanus selbst tat, der entgegen des antiken Zeitgeistes zehn Gesänge in arrhythmischer Form schrieb. So besteht Lenz’ Chor aus sechs Frauen. Das weibliche Geschlecht, das auf Schlachtfeldern nie zu finden und auch bei Lucanus auf Nebenrollen beschränkt war, wird seine Sicht der Dinge im Versmaß des Hexameters beschreiben, wird Bilder im Kopf der Zuschauer entstehen lassen. Achim Lenz zieht da eine Parallele zu Zeitzeugenberichten: Letztlich sei diese mündliche Geschichtsschreibung „ein antiker Vorgang“: Durch das Erzählen würden Erinnerungswerte weitergegeben.
Deutschlandpremiere am 17. Januar
Die Lucanus-Übersetzung Dietrich Ebeners inszeniert Lenz, deren „klare Strenge“ der Schweizer schätzt. „Nicht zu blumig“ sei der Text, „er verliert sich nicht in Manierismen“.
„Der Bürgerkrieg“ ist zudem die erste Zusammenarbeit von Achim Lenz und Silke Bauer. Die Bühnenbildnerin, die jüngst Bühne und Kostüm von „Barbarellapark“ (Copy & Waste) gestaltete, schuf „einen rituellen Raum, in dem die Geschichte aufgearbeitet wird“. Zwei drehbare Wände entwarf sie, die sich einem Uhrwerk gleich bewegen, die die Schauspielerinnen zum Teil und zum Spielball einer größeren Maschinerie machen.
Die Uraufführung steht am 8. Januar in der Schweiz an, die Deutschlandpremiere folgt am 17. Januar 2014, 19.30 Uhr, im Ringlokschuppen. Eine weitere Aufführung steht am 18. Januar 2014 an. Karten im Vvk 10 €, erm. 5€.
„Der Bürgerkrieg“ ist eine Koproduktion von Theater Chur, Theater Schlachthaus Bern und Ringlokschuppen.