Ein Todesengel mit Burn-out, eine Selbstmörderin auf der Suche nach letzten Worten, eine Eingemauerte als sich bahnbrechendes Zeichen totgeschwiegener Schuld: Diese drei Akteure stellt der libanesische Regisseur Issam Bou Khaled in seiner Inszenierung „Die schwarze Schachtel“ auf die Bühne – und findet schwarzen Humor in der Absurdität der Situation. Donnerstag eröffnete diese Uraufführung den zweiten Teil der „Theaterlandschaft Neues Arabien“ im Theater an der Ruhr.
Es ist ein Bühnenbild wie ein Kriegsschauplatz: Aus kargen, abgeplatzten Betonblöcken ragen Metallstangen. Von einer klettert zu Beginn der Todesengel. Eine letzte Seele will er sammeln und ihre Abschiedsworte auf einer schwarzen Schachtel aufnehmen. Denn der Engel hat genug. Er hadert mit dem 5. Gebot, „Du sollst nicht töten“, und damit, dass Menschen zu gut darin sind, es zu brechen. Doch diese Seele, eine Selbstmörderin, macht ihm die Arbeit schwer. Letzte Worte, findet sie, müssen gut überlegt sein. Sie will es richtig machen, das Sterben.
Engel und Frau haben den Tod (verschieden) erlebt: Ihre Lieben, die ermordet wurden, hat der Engel aufgenommen. Doch wurden ihre Stimmen nie gehört. Ebenso wenig wie die einer zweiten Frau, die von Bauarbeitern vergewaltigt und eingemauert wurde. Eine wahre Begebenheit ist letzteres, die Bou Khaled verarbeitet und gegen das Vergessen stellt. Doch das Hinhören währt nur kurz. Was bleibt, ist das Gefühl einer verlassenen Region und die letzten Worte: „Gott. . . Wo bist du?“
Im Foyer hatte Meriam Bousselmi derweil ihre „Truth Box“ aufgebaut. Auge in Auge mit dem Schauspieler sitzt der Zuschauer dort und nimmt die Rolle des Beichtvaters ein. Mit intimen Geständnissen und Schuld wird er konformiert und am Ende gefordert, Stellung zu beziehen: „Vergeben Sie mir?“, fragt der Beichtende. Die Box ist auch heute ab 16.30 Uhr und am morgen ab 18 Uhr an der Akazienallee 61 aufgebaut.