Mülheim. . Das Kriegsgräberfeld auf dem Altstadtfriedhof erinnert bis heute an Zwangsarbeiter, die fern der Heimat ums Leben kamen. Vortrag und Ausstellung zum Thema
Der denkmalgeschützte, über 200 Jahre alte Altstadtfriedhof hat heute den Charakter einer parkähnliche Grünanlage und lädt zu allen Jahreszeiten zum Spaziergang ein.
Und zum Verweilen an mancher historischer Grabstätte. Ein Mülheimer Bürger stand in diesen Tagen länger an den Gräbern der Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter, die man gut über den Eingang an der Straße Lohscheidt erreichen kann. Auf vielen der quadratischen Grabsteine mit kyrillischer Schrift ist als Todesjahr 1943 verzeichnet, und auch Kinder wurden auf dem Kriegsgräberfeld bestattet, fiel dem 76-Jährigen auf. „Mir geht“, sagte er dieser Zeitung, „das Schicksal der Leute nahe“. Er hätte gern mehr darüber gewusst.
Dazu besteht etwa am Donnerstag, 12. Dezember, im Haus der Stadtgeschichte die Gelegenheit: Dr. Thomas Urban (Uni Bonn) wird einen Vortrag über „Das ,Russenlager’ am Zehntweg“ (Beginn: 19 Uhr, Eintritt frei) halten, ein dunkles Kapitel der Stadtgeschichte. In den Kriegsjahren waren in Mülheim über 24 000 Zwangsarbeiter/innen in 55 verschiedenen Lagern interniert und in Groß- und Rüstungsbetrieben beschäftigt. Dr. Urban wird berichten, dass das Zehntweglager das größte von elf Arbeitslagern des Mülheimer Röhrenwerks war. Seit 1942/43 wurden dort überwiegend sowjetische Zivilarbeiter untergebracht.
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Auf dem Altstadtfriedhof sind insgesamt über 430 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus Russland und anderen osteuropäischen Ländern in beiden Weltkriegen bestattet worden, hat Kai Rawe, der Leiter des Stadtarchivs, schon vor Jahren recherchiert. Nicht alle Gräber sind mehr erhalten. Auch Frauen wurden zur Zwangsarbeit verschleppt, erinnert Kai Rawe, und so kamen eben auch Kinder in den Lagern zur Welt, wo die Lebensverhältnisse mit mangelhafter Ernährung und medizinischer Versorgung sehr schlecht waren, die Kindersterblichkeit war hoch.
Im Kriegsjahr 1943, als am 22./23. Juni die Stadt dem verheerenden Bombenangriff ausgesetzt war (wir berichteten ausführlich), traf es auch die Zwangsarbeiter. „Die Lager waren ja“, erinnert Barbara Kaufhold, „über die ganze Stadt verteilt“. Die Mülheimer Historikerin kann auch erklären, warum auf einigen der Grabsteine auf dem Altstadtfriedhof als Todestag Heiligabend 1944 eingraviert ist. „Am 24. Dezember 1944 haben britische Bomber auf die Flughafensiedlung einen Großangriff verübt und 60 Tonnen Sprengstoff über Raadt abgeworfen.“ Unter den vielen Toten waren auch russische Häftlinge, die am Flughafen Zwangsarbeit leisten mussten.