Mülheim-Heißen.
Nach der Kranzniederlegung auf dem Synagogenplatz trafen sich viele Mülheimer im Haus der Stadtgeschichte, um an die 75-jährige Wiederkehr der Reichspogromnacht von 1938 und die damit verbundenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu erinnern.
Dr. Kai Rawe, Leiter des Mülheimer Stadtarchivs, skizzierte in einem Vortrag das jüdische Leben in Mülheim vor, während und nach dem Terrorregime der Nationalsozialisten. Dass es bereits im Mittelalter jüdisches Leben in Mülheim beziehungsweise der damaligen Herrschaft Broich gab, ist zwar nicht belegt, dennoch sehr wahrscheinlich.
Sicher hingegen ist, dass sich ab Ende des 17. Jahrhunderts in unserer Stadt immer mehr Juden ansiedelten und spätestens gegen Ende des 18. Jahrhunderts ihr erstes Gotteshaus errichteten. Dies entstand an der Ecke Schloßstraße/Friedrich-Ebert-Straße.
Richtiges Gemeindeleben
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde den Mülheimer Juden durch die Preußen dann die erste eigene Gemeinde zugebilligt, so dass von nun an ein richtiges Gemeindeleben in der Stadt möglich war. Und die Gemeinde wuchs. Bereits um 1900 gab es in Mülheim weit über 100 jüdische Familien, was dazu führte, dass die alte Synagoge zu klein wurde und 1905 der Grundstein für die neue Synagoge am Viktoriaplatz gelegt wurde, die 1907 feierlich eingeweiht wurde.
„Damals noch wurde die Synagoge als eines der schönsten Bauwerke Mülheims bezeichnet“ erzählt Kai Rawe und zeigte den Zuhörern Archivbilder des imposanten Gotteshauses.
Spätestens 1908 zeigte sich, dass die jüdische Bevölkerung fester Bestandteil des Mülheimer Lebens war - im Jahrhundertbuch der Stadt wurde die jüdische Gemeinde Mülheims gewürdigt. „Im ersten Weltkrieg zogen genauso jüdische Männer für das Vaterland in den Krieg“, erinnert Rawe. „Die jüdischen Familien teilten das Schicksal vieler anderer unserer Stadt.“
Der Wendepunkt
Doch 1933 kam dann der Wendepunkt. Auch in Mülheim begann die Vertreibung, willkürliche Verfolgung und Ermordung vieler jüdischer Mitbürger. Nur fünf Jahre später war die jüdische Gemeinde bis auf die Hälfte zusammengeschrumpft. Obwohl längst nicht mehr im Besitz der Gemeinde, sondern in der der Stadt, ging dann auch die prachtvolle Mülheimer Synagoge in der Reichspogromnacht in Flammen auf.
Dieser Tag steht aber auch für die Zerstörung vieler Menschenleben. Deportation, Verfolgung, Mord - das tatenlose Zusehen und der fehlende Widerstand etlicher Mülheimer hat zu diesem traurigen Kapitel beigetragen. „Diese Nacht wird immer einer der dunkelsten Momente unserer Stadtgeschichte sein“, so Rawe und fügt hinzu: „dass jemals wieder jüdisches Leben in Mülheim blühen sollte, war eigentlich undenkbar.“