Mülheim-Holthausen. Im achten Band der Volkszählungs-Reihe von Familienforscherin Bärbel Essers geht es umden ländlich geprägten Stadtteil Holthausen um 1861. Themenschwerpunkt ist die medizinische Versorgung
Wie sich Mülheims Bevölkerung in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts zusammengesetzt hat, wie man lebte und arbeitete, davon hat Bärbel Essers ein ziemlich genaues Bild.
Denn im Jahr 1861, 100 Jahre, bevor die Familienforscherin, im Brotberuf Bilanzbuchhalterin, selbst zur Welt kam, gab es in der Stadt die erste vollständige Volkszählung. Die Aufzeichnungen entdeckte Bärbel Essers vor einigen Jahren im Düsseldorfer Hauptstaatsarchiv und wertet sie aus.
Fülle an Daten
Soeben ist der achte der auf insgesamt elf Bände angelegten Reihe erschienen, in dem es um Holthausen geht – vor 150 Jahren noch ein sehr von der Landwirtschaft geprägter Stadtteil, der immerhin 1782 Bewohner in 196 Gebäuden hatte. Straßennamen gab es damals noch nicht, die Häuser wurden einfach von „Holthausen 1“ an durchnummeriert.
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Kernstück des Holthausen-Bandes sind wieder die sorgfältig aufbereiteten statistischen Daten, also die Einwohnerlisten der Familien und ihrer Berufe, die auch in einem alphabetischen Register namentlich gesucht werden können. An Familiengeschichte interessierte Mülheimer können aber nicht nur einzelne Personen nachschlagen. „Man findet im Buch die Familie, alle Personen, die mit im Haushalt gelebt haben, sowie die Nachbarschaft“, sagt die Autorin.
Kautschuk als Zahnersatz
Gut 100 Menschen lebten damals in Holthausen von der Landwirtschaft – vom Hirten bis zur Magd. Schon 170 Holthausener waren im Bergbau tätig. Wieder gibt Bärbel Essers Einblick in einen Bereich des Alltags vor 150 Jahren. Diesmal geht es um die medizinische Versorgung. „Dass Zähne auf den Marktplätzen gezogen wurden, das gab es schon nicht mehr“, weiß sie. Reisende Zahnärzte bewarben ihre Arbeit per Inserat: „Zum Einsetzen künstlicher Zähne, wie auch alle sonstige mein Fach betreffende Operationen, empfehle ich mich während einigen Tagen im Hotel Middendorff“ inserierte etwa „Sommer, Zahnarzt“.
Mit Erlaubnis durften auch so genannte „Heildiener“ Zähne ziehen, denen auch kleinere medizinische Leistungen erlaubt waren. Kautschuk wurde als Material für erschwinglichen Zahnersatz verwendet, schreibt Frau Essers, das Patent dafür hielt Charles Goodyear. Mit leichtem Schaudern liest man das Kapitel über „Krankheiten und ihre Behandlung“. Pest und Tollwut waren lebensbedrohlich.
Bärbel Essers recherchierte im Stadtarchiv, wertete alte Dokumente und Berichte in der damaligen Lokalzeitung aus. Diese beschreibt eine Mehrlingsgeburt in Holthausen im Juli 1863: „Die Frau des Tagelöhners Ehring wurde mit vier Kindern, zwei Knaben und zwei Mädchen, glücklich entbunden“. Das war auch damals eine Sensation.