Mülheim. Ping Pong im Streit um den beklagenswerten Zustand und die hohen Defizite in Mülheims Nahverkehr. Niemand will die Verantwortung tragen für die desaströse Situation. Am Mittwoch war es nun die MVG, die harsche Kritik von der Bezirksregierung entschieden zurückwies.
Der vielschichtige Streit um den beklagenswerten Zustand und die hohen Jahresfehlbeträge im Mülheimer Nahverkehr hat etwas vom Ping-Pong-Spiel: Niemand will die Verantwortung tragen für die desaströse Situation, in die sich die Stadt seit Längerem manövriert sehen muss. Am Mittwoch nun war es die MVG, die die harsche Kritik der Bezirksregierung entschieden zurückwies.
Wie berichtet, sieht der Verkehrsdezernent der Düsseldorfer Aufsichtsbehörde, Matthias Vollstedt, mit Verweis auf Vergleichszahlen des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) bei der MVG einen „zu dicken Wasserkopf“ beim stationären Personal. Insbesondere im Werkstattbereich, aber auch in der Verwaltung.
10% Einsparung möglich
Der Anteil des Personals im Fahrbetrieb sei deutlich unterdurchschnittlich, 10 % Einsparungen im stationären Bereich hält die Bezirksregierung für möglich. Einsparpotenziale im „Overhead“ hatten in jüngerer Vergangenheit auch der Fahrgastverband „Pro Bahn“ und Grünen-Verkehrsexperte Axel Hercher ausgemacht.
MVG-Geschäftsführer Klaus-Peter Wandelenus widerspricht: „Man sollte aufpassen, dass man nicht Äpfel mit Birnen vergleicht.“ Die VDV-Zahlen seien für eine Bewertung kaum zu Rate zu ziehen, weil hier etwa unberücksichtigt bleibe, dass ein reiner Busbetrieb naturgemäß mit weniger Personal auskomme als ein Betrieb wie die MVG, der auch Bahn-Infrastruktur zu unterhalten hat.
Forderungen aus Düsseldorf nicht erfüllbar
Dass die MVG vergleichsweise viel Personal in der Werkstatt beschäftige, so Wandelenus, sei auch dem Umstand geschuldet, dass dem Betrieb seit etlichen Jahren die Investition in neue Bahnen verwehrt worden sei. Nicht umsonst fordere er aktuell weiter einen kompletten Ersatz der vorhandenen Fahrzeugflotte.
20 statt der bestellten 15 Bahnen seien nötig, dann könne auch die Werkstatt mit weniger Personal auskommen. Werkstätten im Via-Verbund zusammenzuführen, wie es Düsseldorf fordere, sei aktuell nicht möglich, an einzelnen Standorten fehlten nicht nur die Kapazitäten für eine Erweiterung. Eine Zusammenlegung könne erst langfristig Thema, nach 2020, werden.
Einsparpotenzial von 3 Mio. jährlich
Ein strukturelles Einsparpotenzial von jährlich 2 bis 3 Mio. Euro fernab des Fahrbetriebs sieht auch Wandelenus, dies sei aber hauptsächlich über Effekte des Via-Verbundes zu erzielen, nicht über Personaleinsparungen. Schließlich habe die MVG durch ihre zurückliegende Restrukturierung bereits jährlich für eine Entlastung um 10 Mio. Euro gesorgt, 150 Personalstellen seien abgebaut worden.
Noch mal zum Personalbestand der Werkstatt – Wandelenus sagt: „Wenn ich dort nicht super Leute hätte, würde draußen gar keine Straßenbahn mehr fahren.“
MVG-Chef beklagt Schneckentempo bei der Nahverkehrsplanung
Das Schneckentempo, das Verwaltung und Politik beim jahrelangen Hin und Her der Nahverkehrsplanung an den Tag gelegt haben, hat der MVG laut deren Geschäftsführer Klaus-Peter Wandelenus das Leben zusätzlich erschwert.
Beispiel: barrierefreier Umbau von Haltestellen. Mit dem Hinweis der nicht abgeschlossenen Nahverkehrsplanung hatte der VRR Förderbescheide für ein Investitionsvolumen von rund 10 Mio. Euro auf Eis gelegt. Auch die späte Bestellung von zumindest 15 neuen Straßenbahnen macht der MVG Sorgen, erst im Sommer 2017 werden all diese Fahrzeuge ausgeliefert sein.
Neues Gebtriebe zeit Störanfälligkeiten
Bis dahin muss Wandelenus auf „die alten Schätzchen“ der MVG zurückgreifen, die entweder ihre Lebensdauer um einiges überschritten haben oder aber – so die Niederflurbahnen auf der Linie 112 – äußerst reparaturanfällig sind. Deren neue Getriebe, so Wandelenus, zeigten nun verfrüht schon wieder Störanfälligkeiten. Vier uralte Bogestra-Bahnen sollten eigentlich nur ein paar Monate als eiserne Reserve durch Mülheim rollen, sind nach zwei Jahren aber weiter unverzichtbar, um den Betrieb zumindest einigermaßen aufrechtzuerhalten.
„Wenn morgen nur so hoch Schnee fällt. . .“ Wandelenus hat schon bange Erwartungen an den Winter. „Wir sind in der Bredouille, laufen seit Jahren nur hinterher.“