Mülheim. . Die Bezirksregierung zeigt deutlich, dass sie von den ÖPNV-Plänen in Mülheim nichts hält. Die Aufsichtsbehörde akzeptiert die Kappung der Straßenbahn an der Wertgasse nicht und droht damit, im Falle eines solchen Beschlusses 16,2 Millionen Euro Fördergelder zurückzuverlangen.

Bis hier hin – und keinen Deut weiter! Die Bezirksregierung Düsseldorf zeigt sich bei Mülheims ÖPNV-Plänen kompromissbereit, zeigt der Stadt aber klar Grenzen auf. Eine Kappung der Straßenbahn an der Wertgasse (Ev. Krankenhaus) akzeptiert die Aufsichtsbehörde nicht. Sollte Mülheims Politik die entsprechende Beschlussvorlage der Verwaltung abnicken, droht nicht nur die Rückzahlung von 16,2 Mio. Euro Fördermitteln, sondern auch die Weigerung, den weiteren Verkehrsumbau am Tourainer Ring/Klöttschen finanziell zu unterstützen.

Unmissverständlich deutlich machte dies nun im Gespräch mit der WAZ Matthias Vollstedt, Verkehrsdezernent bei der Bezirksregierung. Er äußerte sein Unverständnis, dass Mülheim die Kompromisslinie wieder verlassen hat, die Vollstedt bereits im November 2012 im Mobilitätsausschuss aufgezeigt hatte: Die Straßenbahn hat weiter über die Wertgasse hinaus bis zum Oppspring bzw. Hauptfriedhof zu rollen.

Streit bis zum Ende ausfechten

Wie berichtet, ist Mülheims Verwaltung gewillt, den Streit mit der Bezirksregierung bis zum Ende auszufechten. Fraglich, 15 Tage vor der Ratssitzung: Sind SPD und CDU ebenso kampfeslustig? Beide wollen sich zusammenraufen, damit der Nahverkehrsplan, der das künftige ÖPNV-Angebot festzurrt, am 18. Dezember endlich verabschiedet werden kann.

Die Wertgassen- ist eine Millionen-Frage. Rückendeckung für das Veto zur Streckenstilllegung gibt es aus dem NRW-Verkehrsministerium. Denn: Im ÖPNV-Gesetz ist festgeschrieben, dass die Stadt- und Straßenbahnen das Rückgrat des Nahverkehrs sein sollen (§ 2). Die Bezirksregierung ist nun zwar bereit, der Stilllegung des Flughafen-Astes (Linie 104) und des Abschnitts Waldschlösschen-Uhlenhorst (102) zuzustimmen, bei der Wertgassen-Frage aber bleibt sie hart. Druckmittel sind die 16,2 Mio. Euro, die das Land seinerzeit für den Verkehrsumbau in der Innenstadt beigesteuert hat – mit der Zweckbindung, dass mit dem Geld die Straßenbahnlinie beschleunigt wird, die heute als 110 eben über die Wertgasse hinaus rollt.

Klares Bekenntnis erwartet

Die Bezirksregierung erwartet ein klares Bekenntnis des Rates zum Schienenverkehr. Weitere Prüfaufträge zur Stilllegung von Strecken, auch ein Festhalten an der SPD-Idee, einen Ratsbürgerentscheid zur Zukunft der Schiene abzuhalten, liefen dem zuwider.

Vollstedt: „Einen Ratsbürgerentscheid könnte es ohnehin nur zu den Linien 102 und 110 geben, ohne gegen Landesinteressen zu verstoßen. Vier von sechs Linien fahren ja über die Stadtgrenze hinaus.“

Bezirksregierung: Mülheims ÖPNV mangelhaft aufgestellt 

Nicht nur hat die Bezirksregierung nun ihr Veto gegen die Kappung der Straßenbahn an der Wertgasse in Zement gegossen. Die Aufsicht sieht die Stadt Mülheim insgesamt mangelhaft aufgestellt im Nahverkehr.

1 Ein Dorn im Auge ist der Bezirksregierung der viele parallele Busverkehr auf den Straßenbahnstrecken, vor allem in der Innenstadt. Laut Verkehrsdezernent Matthias Vollstedt sind vor allem Anstrengungen nötig, um den Tunnelbetrieb unter der Schloßbrücke wirtschaftlicher zu machen. „Weitgehend sollten Busse raus aus der Innenstadt“, sagt er. Das Busnetz sei als Zubringersystem zur Straßenbahn umzuorganisieren, heute würden über die Schloßbrücke „planlos“ mehr Fahrgäste transportiert als durch den teuren Tunnel. Ein Umstiegspunkt links der Ruhr mache Sinn.

Skandalöse Zustände

2 Die Bezirksregierung fordert von der Stadt in der aktuellen Debatte nicht nur ein klares Bekenntnis zum Schienennetz, sondern auch Anstrengungen zur Pflege und zur Betriebssicherheit. „Die Zustände“, so Vollstedt, „sind schon länger skandalös.“ Es könne nicht sein, „dass die bestbesetzte Werkstatt im Ruhrgebiet sagt: Wir bekommen unsere Wagen nicht repariert.“ Endlich müsse die MVG auch Investitionsvorhaben angehen, für die Förderanträge längst eingereicht seien, etwa für den barrierefreien Umbau der Straßenbahn-Haltestellen an der Aktienstraße.

3 Der Bezirksregierung kritisiert, dass die MVG überdurchschnittlich mehr stationäres Personal (Verwaltung, Werkstatt) beschäftige als Bus- und Bahnfahrer. Laut 2011er Zahlen des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen sind im Schnitt 57 % der Beschäftigten in deutschen ÖPNV-Betrieben im Fahrdienst aktiv, die MVG hingegen hat der Bezirksregierung 51,6 % gemeldet. Die Behörde hält insbesondere die Werkstatt für überbesetzt, aber auch den Verwaltungsüberbau („Wasserkopf zu dick“). Sie fordert die Zusammenlegung der Werkstätten im Via-Verbund der Städte Duisburg, Mülheim und Essen.