Mülheim. .

Nach dem Vorbild des mittlerweile europaweiten Erinnerungsprojektes von Gunter Demnig waren es in Mülheim die Realschüler Stadtmitte, die 2004 das Stolperstein-Projekt anstießen. Die Initiative ging an der Realschule Mellinghofer Straße weiter. Seither engagieren sich die jungen Leute dafür, dass den Opfern des Nationalsozialismus sichtbare Zeichen im Stadtgebiet gesetzt werden. Derzeit ist auch eine Wanderausstellung der Mellinghofer Realschüler im Rathaus zu sehen.

Die Federführung bei der Aufarbeitung der Stadtgeschichte hat inzwischen die Mülheimer Initiative für Toleranz (MIT) übernommen. Nach 100 Stolpersteinen, die inzwischen verlegt wurden, sollte das Projekt eigentlich auslaufen. Doch der dotierte Hoffnungspreis des Ev. Kirchenkreises und private Spenden haben es ermöglicht, dass gestern erneut zehn weitere Stolpersteine in Gedenken an jüdische Opfer verlegt werden konnten.

Sophie und Jenny Marx mussten ins "Judenhaus" umziehen

Leineweberstraße 47. Bis zum Juli 1931 betrieben die beiden Schwestern ein Damen- und Herrenmoden-Geschäft an der Leineweberstraße, später dort eine Wäscheannahme. Im Februar 1942 wurden Sophie und Jenny Marx durch die Behörden genötigt, ihre Wohnung an der Leineweberstraße zu räumen und in das „Judenhaus“ an der Eppinghofer Straße 133 umzuziehen. Dabei mussten sie einen Großteil des Hausrates zu Schleuderpreisen verkaufen. Mit 14 weiteren Juden aus Mülheim wurden sie am 22. April 1942 zunächst nach Polen ins Konzentrationslager Izbica gebracht, dann nach Auschwitz, wo sich ihre Spuren verlieren. Am 8. Mai 1945 wurden die beiden Schwestern für tot erklärt.

Martha und Karl Pless wurden deportiert

Viktoriastraße 26. Karl Pless hatte eine Stelle als Geschäftsführer des Kaufhauses Alsberg. Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus emigrierten nach und nach alle vier Kinder der Familie Pless. Auch die Eltern überlegten, Deutschland zu verlassen, um nach Palästina zu gehen. Als der Zweite Weltkrieg begann, war es dafür aber zu spät. 1942 wurde das Ehepaar vermutlich erst nach Theresienstadt und später nach Riga deportiert. Da sich das genaue Schicksal nicht klären lässt, wurden sie nach Kriegsende für tot erklärt.

Antonie Kox erlebte die Befreiung des KZ in Riga

Kohlenkamp 34. Durch eine Polizei-Verordnung von 1939 wurden Juden ghettoisiert, in sog. „Judenhäusern“ untergebracht. So auch Antonie („Toni“) Kox, die mit ihrer Tochter Ruth vom Kohlenkamp in die Löhstraße 53 umziehen musste. Am 13. Dezember 1941 wurde sie mit ihrer Tochter ins Konzentrationslager nach Riga gebracht. Während Ruth Kox das Lager überlebte, starb ihre Mutter im Beisein der Tochter am 15. März 1945 – fünf Tage nach der Befreiung des Lagers durch sowjetische Truppen.

Helene und Fritz Bleiweiß wollten nach Südamerika auswandern

Friedrich-Ebert-Straße 76. Das Ehepaar Bleiweiß hatte zwei Söhne, die sich gerade noch rechtzeitig vor Kriegsbeginn nach Südamerika retten konnten. Die Eltern zogen 1933 nach Den Haag. In den Niederlanden entschlossen sich Helene und Fritz Bleiweiß dann 1940, den Söhnen nach Südamerika zu folgen und hatten sogar schon die Fahrkarten in der Tasche. Die Nazis verhinderten die Ausreise und ordneten die Übersiedlung nach Utrecht an. Von dort wurden sie in das Durchgangslager Westerbork deportiert, wo Helene 1944 das Leben verlor. Fritz starb ein Jahr später in Auschwitz.

Henny Schröter starb im KZ-Krankenhaus

Steiler Weg 19. Die Heiratsurkunde wies Henny Schröter als „Volljüdin“ aus, während ihr Ehemann Georg der ev. Konfession angehörte. Sie lebten in einer sog. „Mischehe“. Georg Schröter war Tiefbautechniker bei der Hafenabteilung der Stadt. Am 17. September 1944 wurden Juden, die in Mischehen lebten, verhaftet. Henny Schröter wurde im Oktober 1944 in ein Lager nach Minkwitz (Sachsen) und danach in das Konzentrationslager Ravensbrück gebracht, wo sie im März 1945 angeblich im Krankenhaus an einer Herzmuskelschwäche starb.

Karoline und Josef Philipps starben in Theresienstadt

Düsseldorfer Straße 113. Der Metzger Josef Philipps und seine Ehefrau Karoline gehörten der Nachbarschaftsvereinigung Düsseldorfer Straße an. Am 21. Juli 1942 wurden die Eheleute nach Theresienstadt deportiert, wo Karoline wenige Tage später ermordet wurde. Josef verlor dort sein Leben zwei Monate später.

110 Stolpersteine befinden sich an 58 Orten: 83 Opfer jüdischen Glaubens, 5 politisch Verfolgte, 5 Bibelforscher/Zeugen Jehovas, 4 Euthanasieopfer, 2 Widerstandskämpfer, 1 Sinti/Roma, 10 weitere Opfer.

Für die Opfergruppen Homosexuelle sowie Deserteure bittet MIT um Hinweise aus der Bevölkerung: Tel. 455-4265 (Jens Roepstorff)