Mülheim. .
Allein 250.000 € seien Mülheimer Kindern durch die plötzliche Einstellung der Arbeit von fünf der sechs deutschen Regionalbüros der gemeinnützigen Gesellschaft „Big Brothers Big Sisters Deutschland“ (BBBSD) vorenthalten worden: Das berichtet die Mülheimer Mentorin Beate Kessler fassungslos. Das Geld sei von der Organisation „Deutschland rundet auf“ als Zuwendung versprochen worden, falls bis März 2014 vor Ort insgesamt 50 neue Mentoren gewonnen werden.
31 Paten hatte man bereits rekrutiert und an 50 neue Ehrenamtler wäre man gewiss herangekommen, so die Mülheimerin. Sie ist eine von 112 Menschen im Ruhrgebiet – davon stammen etwa die Hälfte aus Mülheim –, die sich für die Internationale Jugendhilfe-Organisation als Paten um die sogenannten „Mentee“ kümmern. „Anfang September erhielten wir Mentoren eine E-Mail mit der knappen Information, dass BBBSD alle Aktivitäten in Deutschland Ende 2014 beende. Uns wurde das angeblich erfolgreichere Projekt ,Balu und Du’ als Alternative empfohlen.“
Die Mitarbeiterinnen seien umgehend von ihrer Arbeit freigestellt worden. Das sei doch keine gute Umgangsform, und schon gar nicht für eine Jugendhilfe-Organisation, die auf ihrer Homepage mit Vertrauen und Transparenz werbe, findet Beate Kessler, die seit einem Jahr mit viel Freude ein 14-jähriges Mädchen, ihr Mentee, ein Mal pro Woche betreut. Das möchte sie auch gerne weiterhin tun.
Gruppenseite bei Facebook gesperrt
Das Projekt ,Balu und Du’ unterstütze nur Grundschulkinder, und Mentoren sollen nicht älter als 30 Jahre sein. Das sei anders als bei BBBSD, wo sich auch Senioren um Jugendliche kümmern können. Was solle denn jetzt aus den erfolgreich begonnenen Tandems werden und aus den Jugendlichen, die auf der Warteliste stehen und wohl keinen Mentoren mehr bekommen? Man habe einiges gemeinsam unternommen, Stammtische durchgeführt und einen intensiven Austausch über Facebook geführt – die Gruppenseite sei aber nun gesperrt.
„Vor allem junge Mentoren benötigen den direkten und persönlichen Austausch, ein Feedback und Unterstützung“, so Beate Kessler, auch das sei auf der Homepage formuliert. Die örtlichen Mitarbeiter hätten den Kontakt zu den Familien der Kinder und den Mentoren persönlich und intensiv gepflegt. Das könne niemand von Stuttgart aus leisten, ist die Ehrenamtlerin sicher. „Ich möchte die Diskussion nicht emotional, sondern im Interesse der Kinder führen“, bekräftigt sie. Viele Mentoren seien entschlossen, mit dem Konzept weiter zu machen und versuchen nun, sich zu formieren und eigene Sponsoren oder Unterstützer, auch aus der Politik, zu suchen, berichtet Beate Kessler.
Dr. Dr. Christoph Glaser, Geschäftsführer bei BBBSD seit April 2012, teilte den Mitarbeitern und Mentoren in einer knappen E-Mail – und der WAZ im Gespräch – mit, dass das Projekt „Balu und Du“ bei einem detaillierten Vergleich der deutschen Mentoring-Programme bei mindestens gleicher Qualität ein Vielfaches an Kindern erreiche. Das internationale Jugendhilfeprojekt wird sich somit in 15 Monaten nach acht Jahren aus Deutschland zurückziehen, eventuell schon geflossenen Sponsorengelder, wie von Deutschland rundet auf, würden selbstverständlich zurückgezahlt.
Es gibt keine neuen Tandems mehr
Die etwa 1100 Mentoren sollen bis dahin durch das 15-köpfige Stuttgarter Team begleitet werden. „Andere Organisationen erreichen mit gleichen Mitteln ungleich mehr, dies hat uns bewogen, diesen Schritt zu tun. Wir müssen dafür sorgen, dass das ,social project’ auch sozial bleibt“, so Christoph Glaser.
Man habe mit diesem entschiedenen Schritt Irritationen, aber durchaus auch Zustimmung in der Branche geerntet. „Wir stehen den Tandems gegenüber im Wort, sie mindestens ein Jahr zu begleiten. Deshalb werden auch keine neuen Tandems mehr gebildet“, so Christoph Glaser.