Mülheim.

Mehr Klasse statt Masse – diesen Trend macht die Wirtschaftsförderung M&B mit ihrem Startercenter NRW aktuell für die heimische Existenzgründerszene aus. Zwar ist die Zahl der Gründungen aufgrund restriktiverer Haltung bei der Gewährung von staatlichen Zuschüssen rapide gesunken. Doch, so die Beobachtung von Gründerberaterin Dr. Uta Willim: „Die, die sich jetzt selbstständig machen, deren Konzepte sind vergleichsweise qualitativ besser.“

Ein Wandel in der Zuschuss-Politik hat schon 2012 dafür gesorgt, dass die im Haus der Wirtschaft angesiedelte Gründerberatung deutlich weniger potenzielle Gründer zu betreuen hatte. Die Zahl der Erstberatungen reduzierte sich von 612 (2010) über 455 (2011) auf nur noch 303 (2012). Als Begründung für diesen Abwärtstrend nennt Willim eine wesentliche Änderung in den Fördermodalitäten. Seit Ende Dezember 2011 besteht für Arbeitslosengeld-I-Empfänger kein Rechtsanspruch mehr auf einen Gründungszuschuss, vielmehr ist es heute eine Ermessensleistung der Agentur für Arbeit. Zudem wird als Zuschuss nicht mehr neun Monate, sondern nur noch sechs Monate das zuletzt bezogene Arbeitslosengeld gewährt; plus 300 Euro für die soziale Absicherung (maximal über 15 Monate).

Gründungswillige tiefergehender beraten

„Es gibt heute weniger Notgründungen“, sagt Willim. Die Agentur für Arbeit nicke Konzepte nicht mehr so schnell ab. Die Vermittlung in abhängige Beschäftigung hat dort, mit Blick auf Konjunktur und Fachkräftemangel, offensichtlich Vorrang. Die Marschroute, Arbeitslose entsprechend zu qualifizieren, hatte früh in diesem Jahr bereits Agentur-Chefin Christiane Fern vorgegeben.

Rückläufige Zahlen der Erstberatung schaffen dem Startercenter laut Willim derweil den Raum, Gründungswillige tiefergehend zu betreuen, „auch die intensive Nachbetreuung können wir wieder verstärkt anbieten“. Nach wie vor gründen Mülheimer eine neue Existenz meist im Dienstleistungsbereich. Im Coaching und in der Unternehmensberatung, im Gesundheitsbereich, in der Seniorenbetreuung und im IT-Sektor sehen viele ihre Chance. „Ein zweiter Schwerpunkt“, so Willim, „ist der Handel, vergleichsweise häufig der Online-Handel.“

Für Mülheims Startercenter bleibt wichtig, das Gründerklima in der Stadt freundlicher zu gestalten. Erfreulich, so Willim: Mülheims Netzwerk erreicht immer mehr Frauen, nun ist schon gut die Hälfte aller Ratsuchenden weiblich. Dabei hilft etwa der Stammtisch „mep-net“, bei dem sich mittlerweile regelmäßig bis zu 50 Mülheimerinnen über ihre Erfahrungen mit der Selbstständigkeit austauschen.

Auch die Zahl der Beratungen ist wieder spürbar angestiegen – für das erste Halbjahr, so Willim, sei ein Plus von 60 % festzustellen.

M&B verspricht sich Chancen durch die Hochschule

Zielgruppe der Gründerberatung im Haus der Wirtschaft sollen in Zukunft verstärkt Absolventen der wachsenden Hochschule Ruhr West (HRW) sein.

Es sind bereits entsprechende Kooperationsvereinbarungen mit den Hochschulstandorten in Mülheim und Bottrop getroffen. An der HRW existiert ein von der Sparkasse finanzierter Stiftungslehrstuhl mit dem Schwerpunkt Unternehmensgründung. Prof. Christian Müller erarbeitet dabei mit seinen Studenten auch Businesspläne, von der Idee bis zur Umsetzung der Geschäftsidee sollen die Studenten denken. „Die studentische Gruppe ist ganz infiziert“, weiß Gründerberaterin Dr. Uta Willim zu berichten.

Sie sieht wie M&B-Geschäftsführer Jürgen Schnitzmeier in der HRW „großes Potenzial“ für Gründungen. Aber beide bremsen auch die Erwartung, dass schon in kürzester Zeit Immenses auf die Beine zu stellen sein wird. „Es ist nicht realistisch, dass Studenten direkt aus der Hochschule auf den Chefsessel rutschen. Wichtig ist, dass sie erst mal Erfahrungen im Wirtschaftsleben sammeln.“

Bei M&B gibt es laut Willim verschiedene Ansätze, wie Gründungen aus der HRW heraus zu unterstützen sein könnten – vielleicht könne im Haus der Wirtschaft ein Gründerlabor zur Verfügung gestellt werden, vielleicht könne es dafür auch irgendwann ein eigenes „Inkubatorzentrum“ direkt auf dem HRW-Campus geben.