Mülheim. .
Was für deutsche Ärzte selbstverständlich zum medizinischen Alltag gehört, ist für den palästinensischen Arzt Dr. Salam Melhem purer Luxus. Der Mediziner, der in einem Uno-Krankenhaus in Qalqiliya im Westjordanland arbeitet, hospitierte vier Wochen lang im Evangelischen Krankenhaus und nimmt neu gewonnene Erkenntnisse mit in seine Heimat. Denn in der Westbank und vor allem in Qalqiliya fehlt es an vielem. „Geräte, die in Deutschland zur Standardausstattung gehören, stehen uns gar nicht zur Verfügung“, erzählt Salam Melhem, der in Deutschland studiert und hier auch seine ärztliche Zulassung erhalten hat. So können er und seine Kollegen in der Westbank von einem CT oder MRT nur träumen, selbst ein Ultraschallgerät steht den Ärzten der Uno-Klinik nur zwei Mal wöchentlich zur Verfügung. Teilweise müssen Instrumente zwei, drei Mal benutzt werden, obwohl sie eigentlich nach dem ersten Gebrauch entsorgt werden müssten. „Das können wir uns einfach nicht leisten“, bedauert Salam Melhem.
In Qalqiliya leben etwa 50.000 Menschen, die meisten von ihnen gelten als Flüchtlinge. Die Bewohner sind in ihrer eigenen Stadt gefangen, erläutert Melhem, da diese vollständig von der 2003 von den Israelis errichteten Sperranlage, einer acht Meter hohen Mauer, umschlossen ist. Die Bauern hätten durch den Bau der Mauer ihr Land verloren – die Arbeitslosigkeit in Qalqiliya sei hoch. Nur einigen wenigen Bewohnern sei es durch eine Sonderzulassung möglich, in Israel zu arbeiten. Für die Einheimischen gebe es nur einen einzigen Zugang, ein israelischer Checkpoint im Osten der Stadt. Das macht die Arbeit der Mediziner nicht einfacher. Risikopatienten in Krankenhäuser im Umland unterzubringen, sei so mit einem großen Aufwand verbunden. Andersherum müsse das Uno-Krankenhaus alle Flüchtlinge aus dem Umland mitversorgen. „Für Operationen haben wir eine Warteliste von bis zu drei Monaten“, erzählt der palästinensische Arzt. „Eine Intensivstation haben wir gar nicht.“ Auch über eigene Krankenwagen verfüge das Krankenhaus nicht und sei auf die Hilfe des Roten Kreuzes angewiesen.
Eine offizielle Kooperation ist der Wunsch
Von seinen Kollegen am Evangelischen Krankenhaus wurde Salam Melhem herzlich aufgenommen. „Sie waren alle sehr zuvorkommend und hilfsbereit. Im OP durfte ich auch selbst Hand anlegen.“ Aber nicht nur medizinisches Fachwissen wird im Krankenhaus von Qalqiliya benötigt. Denn es nützt alles nichts, wenn es an den Apparaturen und anderem medizinischen Material mangelt. Salam Melhem, der die Reise nach Mülheim privat angetreten hat und durch Hilfsverbände finanziert wurde, würde sich eine offizielle Kooperation wünschen. Gerätespenden wären zum Beispiel ein Anfang. „Wir brauchen aber auch Fachärzte aus Deutschland, die für zwei Wochen zu uns ins Uno-Krankenhaus kommen, um vor Ort zu zeigen, wie die Geräte funktionieren oder aber auch Ingenieure, die zeigen können, wie diese repariert werden.“
Auch fehlt es an der Ausbildung zu Spezialisten. Einen Gefäßchirurgen oder Neurochirurgen gibt es in Qalqiliya nicht. Deshalb werden dringen Ärzte aller Fachrichtungen gesucht, die bereit sind, vom 2. Bis zum 12. Oktober an einer Reise in die Westbank teilzunehmen.
Politische Situation wirft Aufbau zurück
Eigentlich sei das Gesundheitssystem im Westjordanland auf einem guten Weg gewesen. Durch die politische Situation werde der Aufbau jedoch immer wieder zurückgeworfen. Sachspenden für die Krankenhäuser verweilten oft jahrelang beim israelischen Zoll und würden nicht freigegeben. Salam Melhem hofft nun, dass durch die neu gewonnenen Beziehungen nun auf offizieller politischer Ebene Dialoge stattfinden. „Denn die Not des Krankenhauses ist groß.“