Mülheim. Ein Aktionstag soll am kommenden Mittwoch erklären, warum die Versorgung der Patienten nach Bedarf gefährdet ist.

Missstände im Gesundheitssystem? Kassenpatienten fallen dazu lange Wartezeiten ein, niedergelassenen Ärzten abgeschenkte Mehrarbeit - und auch die Krankenhäuser wissen etwas zum Strukturproblem Gesundheitswesen beizutragen. „Es ist an der Zeit“, sagt Stefan Pohlmann, Vorsitzender der Mitarbeitervertretung (MAV) des Evangelischen Krankenhauses, „dass Patienten auch in Zukunft nach ihrem Bedarf versorgt werden können und nicht nach dem, was die Pauschale für ihre Krankheit vorsieht.“ Am Mittwoch will die MAV zusammen mit der Krankenhausleitung, den Ärzten, der Gewerkschaft Verdi und der Deutschen Krankenhausgesellschaft in einem Aktionstag für Änderungen werben. Dabei beschreibt Pohlmann das Problem noch sanftmütig.

Patienten „auch in Zukunft“ nach ihrem Bedarf zu versorgen, das bedeutet: so wie derzeit. Davon allerdings kann in Einzelfällen schon keine Rede mehr sein.

Krankenhäuser handeln ihre Budgets im Voraus mit den Krankenkassen aus, höchst kompliziert berechnet aus den Fallzahlen der Vorjahre und gewichtet mit einem Therapie- und Medikamentenstandard. Am Ende steht ein Topf, der beim Evangelischen Krankenhaus nach unbestätigten Meldungen an der 100-Millionen-Euro-Marke kratzt. Ein Patient, der nun beispielsweise einen Stent eingesetzt bekommt, also eine Gefäßstütze, fällt damit unter die dafür vorgesehene Pauschale.

Ablehnung ohne Begründung

Was aber, wenn ein anderes als das vorgezeichnete Verfahren sinnvoller wäre, zum Beispiel ein Bio-Stent? Das sind Einsätze, die sich mit der Zeit, etwa zwei Jahre, von selbst auflösen. Weil so kein Metall im Körper zurückbleibt, greifen Kardiologen vor allem bei jüngeren Patienten gern auf diese Neuerung zurück, die aber, man ahnt es schon, um den Faktor drei teurer ist. Das Evangelische Krankenhaus braucht sie etwa 40 Mal im Jahr - bekommt aber kein Geld dafür. Nach NRZ-Informationen hat der Ausschuss der Krankenkassen die höhere Vergütung abgelehnt. Versorgung nach Bedarf?

Die Beispielliste ließe sich verlängern. Nicht nur in Mülheim mühen sich Ärzte regelmäßig mit aufwändig erstellten Unterlagen, Grafiken und Wirksamkeitstabellen in die Ausschüsse, um Medizinprodukte oder besondere Krebsmedikamente vergütet zu bekommen. „Meistens bekommen wir nicht mal eine Begründung für die Ablehnung“, sagt ein frustrierter Mediziner.

Für die Krankenhäuser ist das ein Strukturfehler, der auch nicht dadurch behoben wird, dass die Bundesregierung dem kränkelnden Krankenhauswesen gerade mit einer Milliarde Euro extra beispringt. Denn letztlich werden die teureren Behandlungen, siehe oben, dann doch gemacht, werden die geeigneten Krebsmedikamente gegeben statt der vorgesehenen. Das Krankenhaus zahlt dann zumindest kalkulatorisch drauf und am Ende der Kette, warnt auch Pohlmann, entstehen echte Kosten und echter Kostendruck, der dann in „Personalanpassungen“ mündet, also: weniger Mitarbeiter für die gleiche Arbeit, was weniger Zeit für Patienten und Pflege bedeutet.