Mülheim. Wenn das Einkommen im Alter nicht mehr reicht: Der Großteil der Mülheimer, die auf Grundsicherung angewiesen sind, ist älter als 65 Jahre.
Immer mehr Menschen sind in Mülheim an der Ruhr auf finanzielle Hilfe angewiesen, weil ihr Einkommen nicht ausreicht. Bekamen 2011 noch 2163 Bürger die sogenannte Grundsicherung, waren es am 31. Dezember 2012 bereits 2349 Mülheimer. Das bedeutet einen Anstieg von 8,6 Prozent.
Besonders auffällig: Den Löwenanteil machen vor allem ältere Menschen aus. 1607 Personen ab 65 Jahren oder älter mussten sich 2012 ihre Rente aufstocken lassen. Aussicht auf eine Verbesserung besteht nicht, findet Carsten Welp von der Schuldnerberatung der Awo, der eine Prognose wagt: „Da wird noch was auf uns zukommen“, so seine Vermutung. „Die Altersarmut ist ein schleichender Prozess, der uns noch lange begleiten wird.“
Es wird nichts mehr in die Rentenkasse eingezahlt
Denn in der heutigen Zeit arbeiteten viele Menschen in Beschäftigungsverhältnissen wie Minijobs, die nicht sozialversicherungspflichtig sind. „Da wird nichts in die Rentenkasse eingezahlt“, so Welp, „also wird das Problem schlimmer werden, spätestens wenn diese Menschen ins Rentenalter kommen.“
Dass die heutige Rentner-Generation noch Rentenansprüche hat, liegt daran, dass diese Art von Beschäftigungsverhältnis noch nicht existierte, als diese Menschen ins Berufsleben eingetreten sind. Carsten Welp: „Zumindest nicht in dem Maße wie heute.“
Dennoch ist der Großteil der hier lebenden Empfänger der Grundsicherung über 65 Jahre alt. Auch zur Awo-Schuldnerberatung kämen immer wieder Rentner, denen das Wasser bis zum Hals steht und die sich über Möglichkeiten informieren, ihre zu geringe Rente aufzustocken.
Rentner mit Nebenjobs
Carsten Welp weiß von einigen Rentnern, die nebenher immer noch arbeiten gehen, um ihr Leben zu finanzieren. „Das kann vielfältige Gründe haben“, so der Awo-Mann. „Das könnten Selbstständige sein, die nicht eingezahlt haben, oder Menschen, die zeitlebens wenig verdient und sich nicht um ihre Altersvorsorge gekümmert haben.“
Die durchschnittliche Rente liegt in Deutschland bei rund 1000 Euro. „Das ist nicht sonderlich viel“, so Ulrich Schreyer, Geschäftsführer des Diakoniewerk Arbeit & Kultur. „Dazu kommen steigende Lebenshaltungskosten, etwa für Miete oder Strom. Da ist schnell der Punkt erreicht, an dem man mit der Rente nicht mehr auskommt.“ Dazu komme, dass es im Bereich der Altersarmut eine hohe Dunkelziffer gebe. „Gerade bei älteren Menschen ist die Scham, zu Ämtern zu gehen, weil sie kein Geld mehr haben, sehr hoch.“ Bei der Tafel, die vom Diakoniewerk betrieben wird, spiele die Altersarmut allerdings keine Rolle. „Von den Menschen, die zu uns kommen, sind weniger als fünf Prozent über 65 Jahre alt“, so Schreyer.
Klaus Konietzka, Leiter des Sozialamtes, glaubt indes nicht daran, dass die hohe Zahl der Senioren, die ihre Rente aufstocken, etwas Besorgniserregendes ist. „Das hängt mit der demografischen Struktur der Stadt zusammen“, so Konietzka. „Mülheim war schon immer eine Stadt mit einem hohen Altersquotienten, deswegen ist hier auch die Zahl der Aufstocker höher.“