Mülheim. Seit fast zwei Jahren diskutiert der Bischof mit Vertretern der Gemeinden, wie Kirche von morgen aussehen soll, um Menschen zu gewinnen. Die WAZ sprach dazu mit dem Stadtdechanten Michael Janßen, dem Vorsitzenden des Katholikenrates Wolfgang Feldmann und dem Referenten Wolfgang Cukrowski.

Seit fast zwei Jahren diskutiert der Bischof mit Vertretern der Gemeinden, wie Kirche von morgen aussehen soll, um Menschen zu gewinnen. Die WAZ sprach dazu mit dem Stadtdechanten Michael Janßen, dem Vorsitzenden des Katholikenrates Wolfgang Feldmann und dem Referenten der Stadtkirche Wolfgang Cukrowski.

Derzeit bestimmen Hoeneß und Papst Franziskus die Schlagzeilen.

Michael Janßen: Gut, wenn über uns geredet wird. Schweigen wäre schlimm.

Spüren Sie durch den neuen Papst Aufwind?

Janßen: Auf jeden Fall. Charisma ist das Zauberwort. Er hat es, er ist authentisch.
Feldmann: Wir müssen uns fragen: Sind wir eine Kirche der Liebe oder eine Kirche der Strafe. Franziskus zeigt eine liebende Kirche.

Eine Kirche, die wiederverheirateten Geschiedenen die Kommunion verweigert, also bestraft.

Janßen: Ich bin froh, dass sich auch hier endlich was tut! Die Kommunionbank ist keine Richterbank. Wer zur Kommunion kommt, bekommt sie auch.

Vor sieben Jahren begann in Mülheim der Abbau und Umbau von Gemeinden. Wo steht die Kirche?

Janßen: Es findet immer noch Trauerarbeit statt. Wir haben aber viel erreicht, ein neues Miteinander gefunden. Ich verweise aber auch immer auf unsere Gäste aus Lateinamerika, die auf dem Kirchenhügel verweilen. Die sagen: Eure Sorgen möchten wir haben. Jeder findet hier noch in der Nähe eine Kirche.

Wobei es bereits Stimmen gibt, die für Mülheim nur noch eine Pfarrei voraussagen.

Janßen: Eine Pfarrei im juristischen Sinne. Es wird aber weiterhin mehr Orte geben, wo sich Menschen treffen und das Wort Gottes hören. Nur muss das nicht unbedingt eine klassische Kirche mit Kirchturm sein.

Wenn wir auf die Zahl der Priester schauen, stellen wir einen dramatischen Schwund fest. Wie kann Kirche mehr Priester gewinnen?

Janßen: Warum geht sie nicht auf Männer zu, die verheiratet sind, die sich in der Familie bewährt haben, die fest im Glauben stehen und ermöglicht ihnen den Zugang zum Priesteramt? Das Konzil zeigte bereits diesen Weg. Voraussetzung ist, dass die Ehefrau zustimmt.

Wolfgang Feldmann: Wir leiden ja nicht nur am Priestermangel. Es fehlen auch Diakone, Gemeindereferenten, Pastoralreferenten. Das Nachwuchsproblem ist viel größer.

Wolfgang Cukrowski: Dass die Kirche bisher im Bistum den Strukturwandel so gut überstanden hat, liegt vor allem auch daran, dass so viele Ehrenamtliche mithelfen.

Wenn Kirche Zukunft haben will, muss sie die Jugend gewinnen. Aber wie? In Mülheim wird die Stelle des Stadtjugendseelsorgers aufgegeben.

Feldmann: Das ist ein großes Problem. Kirche hat so viel Konkurrenz im Vergleich zu früher. Unser Ziel müsste es sein, dass es in jeder Pfarrei zwei, drei Menschen gibt, die vom Stadtdechanten beauftragt werden, sich gezielt und intensiv um die Jugendarbeit zu kümmern.

Hat die Jugend noch einen Draht zur Kirche?

Janßen: Ich behaupte, keine Zeit war religiöser als diese, nicht konfessionsgebunden gesehen. Die Jugend hat Fragen, Sehnsüchte nach einem erfüllten Leben. Wie fangen wir diese ein? Was macht Franziskus, dass so viele junge Menschen ihm zujubeln? Ich glaube auch, dass die Jugend froh ist, dass es eine Institution wie Kirche gibt, die nicht jedem Zeitgeist hinterherläuft und ständig alles umwirft. Wir brauchen, um die Jugend zu gewinnen eine tolle Kirche, einen tollen Priester, einen tollen Kirchenmusiker.

Feldmann: Wenn es uns nicht gelingt, die Jugend einzufangen, ist eines Tages alles weg.

Im Dialog-Prozess des Bistums zur Frage der Kirche von morgen, wird eine lernende Kirche gefordert. Was hat sie in den letzten Jahren gelernt?

Feldmann: Dass sie nicht auf die Menschen warten sollte, sondern zu ihnen hin geht. Dass sie zuhören muss, was die Menschen bedrückt, bewegt, dass sie an der Verbesserung von Lebensbedingungen aktiv mitwirken muss, dass sie auf unterschiedliche Lebensentwürfe reagieren muss.

Der Bischof wünscht eine charismatische Kirche. Wie wollen Sie dies erreichen?

Janßen: Das fängt damit an, dass der Priester nicht mit einer bitterer Miene auftreten sollte.
Cukrowski: Auch das ist ein Teil des Dialogprozesses. Das Zukunftsbild einer charismatischen, den Menschen nahen Kirche muss nun vor Ort in den Gemeinden, in den Verbänden und Gremien umgesetzt werden. Eine Aufgabe für die nächsten Jahre.