Mülheim. .
Auf einem kleinen Kinderkeyboard fing Angelika Nowak an, dabei war sie dem Kindesalter längst entwachsen. Autodidaktisch erarbeitete sie sich darauf erste Melodien nach Gehör – „nichts Komplexes“ sei dabei gewesen, doch das Einfache reichte ihr auf die Dauer nicht. Also entschied sie, an der Musikschule Klavierunterricht zu nehmen. 15 war sie da – uralt im Vergleich zu den meisten anderen Anfängern, die bereits in der Grundschule am Piano Platz nehmen. Doch bei Talent gilt: Besser spät als nie. Im Juni bestand die heute 20-Jährige die Aufnahmeprüfung für die Düsseldorfer Musikhochschule und setzte sich gegen internationale Konkurrenz durch. Vorausgegangen war dem eine intensive Vorbereitung in der Musikschule.
20 Minuten dauert ein Vorspiel an einer Musikhochschule – wenn man gut ist, wenn man die Nerven im Griff und die Finger unter Kontrolle hat. Sonst kann man schon nach zwei Minuten mit einem „Danke!“ unterbrochen und zugleich abgelehnt werden. „Eine drastische Härte“ nennt das Jan Bovensmann, der den Fachbereich Tasteninstrumente leitet. Doch er weiß, dass sich die Musikhochschulen das leisten können, da es besonders beim Piano viele Bewerber gibt. Es ist also nicht übertrieben, wenn Angelika Nowak sagt: „Alles hängt von einem Moment ab.“
Darauf hat sie sich mit Jan Bovensmann vorbereitet. Hat das Wohltemperierte Klavier von Bach wieder und wieder gespielt, hat dazu das Instrument für ihr Nebenfach, Geige, geübt und Theorie gepaukt, denn auch die wurde in einem schriftlichen Test abgefragt. Nach dem Abitur konzentrierte sie sich ein Jahr lang darauf, übte täglich mehrere Stunden – auch an lustlosen Tagen, gibt sie zu: „Man muss sich motivieren.“
Technik entwickeln und verfeinern
Motivator – auch mit deutlichen Worten – war Jan Bovensmann. Er half ihr, die Technik zu entwickeln und zu verfeinern, ein Repertoire aufzubauen, zeigte ihr „Übetechniken, um schwierige Stellen optimal zu bewältigen. Danach“, sagt er, „kommt die psychologische Seite. Dazu gehört, das Lampenfieber abzubauen, durch Konzerte und Vorspiele.“ Dabei wird auch die Prüfungssituation simuliert. Dann ist Durchhalten angesagt. Jan Bovensmann zieht den Vergleich zum Leistungssport: Auch da komme es am Ende auf Hundertstel, auf Nuancen an.
Auch interessant
Nun hat Angelika Nowak das Klavier (und die Geige) gewählt. Die Vorbereitung auf das Studium ist an der Musikschule aber „prinzipiell in jedem Fach möglich, das es an einer Musikhochschule gibt“, sagt Peter Ansorge, der den Fachbereich Studienvorbereitende Ausbildung leitet. 10 bis 15 Jugendliche nutzen diesen erweiterten Unterricht, der an der Musikschule seit 1974 angeboten wird. „Es ist wichtig, sowohl die Breite, als auch die Spitze zu fördern“, betont Peter Ansorge. Die Studienvorbereitung ist auf drei Jahre angelegt und läuft parallel zur Oberstufe. Um auch jüngere Musiker zu unterstützen, wird nach den Sommerferien eine „Exzellenzklasse“ einrichtet, die Jan Bovensmann leiten wird. Den Klischee-Satz „Kind, lern’ was Anständiges“ hat Angelika Nowak übrigens nie gehört. Eine Ausbildung an einer Musikhochschule bewerten die Lehrer dann auch als gute Startbahn. „Man muss seinen Neigungen folgen“, ist Peter Ansorge überzeugt, „denn Verlegenheitsstudiengänge sind nur selten der Beginn einer großen Karriere.“
"Ein gutes Gespür, ob sich jemand durchsetzen kann"
Zudem hätten die Lehrer der Musikschule „schon ein gutes Gespür dafür, ob sich jemand am Markt durchsetzen kann“. Und ob er die Nerven hat, ein Jahr lang das Wohltemperierte Klavier von Bach zu spielen, um an jeder Note zu feilen und doch nie zufrieden zu sein. Das, weiß Jan Bovensmann, ist nur etwas für Liebhaber, aber dann „ist Musik eine lebenslange Aufgabe“.