Sie ist fast im Rentenalter und dennoch kein bisschen leise: Mülheims Musikschule feiert in diesem Jahr ihr 60-jähriges Bestehen. Anlässlich des runden Geburtstags gibt die WAZ in Serie Einblick in die verschiedenen Fachbereiche, in denen die Musik spielt. Doch am Anfang steht der Blick zurück und auf das Kommende – denn das Jubiläumsjahr markiert zugleich einen Neuanfang.

Ganz fertig ist es auch drei Monate nach Umzug nicht. Schilder, Wegweiser, Raumnummern fehlen etwa noch. Sie werden wohl angebracht, wenn auch der zweite Mieter eingezogen ist. Musikschule und Stadtarchiv teilen sich das Haus der Mülheimer Stadtgeschichte, die sanierte einstige Augenklinik an der Von-Graefe-Straße. Und Musikschulleiterin Bärbel Frensch-Endreß trifft immer wieder Menschen, die der Titel des Gebäudes stört. Sie selbst gehört nicht dazu, für sie ist Musik ein Stück Geschichte und die Musikschule, als „eine der ältesten in NRW“, ein „Traditionsunternehmen“.

Gegründet wurde das am 4. Mai 1953 und stand als Jugendmusikschule ausschließlich Kindern und Jugendlichen offen, die aus den Fächern Gesang, Blockflöte und rhythmisch-musikalische Erziehung wählen konnten. Rund 420 Schüler meldeten sich zu den ersten Unterrichtsstunden an, die in Schulen und Jugendheimen gegeben wurden. Bescheidene Anfänge waren dies; heute nehmen fast 4000 Menschen Musikunterricht.

Die stattlichen Schülerzahlen sind Ergebnis einer Öffnung der Einrichtung. Der erste Schritt wurde 1996 getan, als der Zusatz „Jugend-“ gestrichen wurde. Seitdem werden alle Altersgruppen unterrichtet, zwischen anderthalb und 94 sind heutige Musikschüler alt.

Im Jahr 2000 übernahm Bärbel Frensch-Endreß die Leitung: „Damals“, sagt sie, „hatten wir 1500 Schüler.“ Das Programm „Jedem Kind ein Instrument“ (Jeki), bei dem Musikschullehrer an Grundschulen Instrumentalunterricht geben, ist Hauptgrund für den Schülerzuwachs. Der Weg hin zum Nachwuchs hat sich bewährt.

Inzwischen wird musikalische Früherziehung auch in Kindertagesstätten angeboten. 45 Außenstellen hat die Musikschule heute. Zukünftig plant Bärbel Frensch-Endreß jedoch vermehrt Jeki-Kinder ins Haus zu holen, um Hemmschwellen zu reduzieren. Zugleich möchte sie die musikalische Früherziehung ausbauen. Doch der Erfolg von Jeki bringt auch Probleme mit sich, wie etwa der große Bedarf an Musiklehrern. Das kann bei besonders beliebten Instrumenten zu Engpässen führen. Gitarrenlehrer beispielsweise sind aktuell Mangelware. Dabei unterrichten für die Musikschule aktuell rund 90 Lehrer. Nachwuchsmangel ist also kein Thema. Musik, auch die der alten Komponisten, ist Bärbel Frensch-Endreß überzeugt, wird immer die Herzen der Menschen, der Jugendlichen bewegen: „Die kommen mit Knopf im Ohr an und werden da wohl kaum Bach oder Beethoven hören – aber hier spielen sie Geige oder Cello.“ Eine Unterteilung in U- und E-Musik – also Unterhaltungs- und erste Musik – gibt es in Mülheim nicht. Rock und Rachmaninow sind gleichwertig. „Unser Ziel ist es zu vermitteln, dass Musik einfach Spaß macht. Dass einem das Herz aufgeht, wenn man sie hört.“