Mülheim. .
Nur Sekunden vom ersten zum Akutalarm. Wie schon so oft, mitten in der Nacht: Raus aus den Betten, aus dem Dachgeschoss des schlichten Mehrfamilienhauses an der Oberhausener Straße 96 in Styrum acht Treppen à 15 Stufen runtereilen in den Keller, im Stockdunkeln, elektrisches Licht gibt es nicht. Der Vater die Nähmaschine, das Heiligtum der kinderreichen Familie des Straßenbahnfahrers, auf dem Buckel. Georg Heckhoff (80) erinnert sich noch genau an die Nacht zum 23. Juni 1943, als Mülheim so schwer vom Bombenhagel getroffen wurde wie nie mehr sonst im Zweiten Weltkrieg. Obwohl die Heckhoffs in dieser Nacht ausgebombt werden: Die Schicksalsnacht für die achtköpfige Familie folgte erst Monate später. Am Heiligen Abend. . .
Es blieb keine Zeit in dieser Nacht zum 23. Juni 1943, um in den Bunker an der Marienkirche zu rennen. „Wir haben unten gesessen, da gab es auf einmal einen riesen Lärm“, erinnert sich Heckhoff an das Ausharren im Keller. Der Keller war nicht für den Luftschutz umgebaut, dort hockten die Bewohner auf gelagerten Kohlen, zwischen abgestellten Möbeln. „Eine richtige Bombe“, sagt Heckhoff, „wäre wohl bis zum Keller durchgerasselt, zum Glück fiel nur eine Brandbombe rein.“
Für die Kinder ein Abenteuer
Styrum traf der Bombenhagel in dieser Nacht, in der die Innenstadt in Flammen stand, nicht so stark. Das Mietshaus der Heckhoffs aber brannte lichterloh, als die Familie nach der Entwarnung den Keller Richtung Hof verließ. Auch das Kino nebenan, wo anscheinend auch einige Verschüttete zu bergen waren. Während sich dort die Feuerwehr abmühte, brannte das Heckhoffsche Heim bis auf die Grundmauern nieder. „Außer der Nähmaschine und unser Familienbuch“, erzählt Georg Heckhoff, „haben wir nichts gerettet.“ Resigniert habe es nur geheißen: „Lass die alte Bude brennen.“ Für die Kinder, sagt Heckhoff, sei das alles nicht mal mit Angst verbunden gewesen. „Für uns war das ein Abenteuer.“ Die Familie fand eine Unterkunft in der Turnhalle der heutigen Willy-Brandt-Schule.
Bombenhagel auf Mülheim
Aus „Abenteuer“ wurde aber auch für die sechs Kinder und Mutter Berta am Heiligabend bitterer Ernst. Der Vater versieht gerade seinen Dienst und steuert eine Straßenbahn der Linie 11 gen Flughafen, da gibt es Fliegeralarm. Er flüchtet sich in die Bunkeranlage am Flughafen. Der Notabwurf eines britischen Bombers landet aber genau in deren Luftschacht.
„Man redet von über 300 Toten in dem Bunker“, so Heckhoff. Sein Vater überlebte schwer verletzt, als einer von wenigen. Mit zerschmettertem Knie, das nach Not-OP fortan zwölf Zentimeter kürzer und steif war. Die Familie blieb Tage im Ungewissen, bis sie gewahr wurde, dass der Vater im Krankenhaus lag. Nur zwei Jahre später starb er, gezeichnet von den schweren Folgen des Bombentreffers.
Alle Zeitzeugenberichte über die Bombennacht vom 22. auf den 23. Juni 1943 finden Sie auf unserer Serienseite für Mülheim