Mülheim.
Roberto Ciulli, Direktor und Regisseur des Theaters an der Ruhr, ist ein Schelm. Mit ernster Miene trat er zum Auftakt der „Weißen Nächte 2013“ vor sein Publikum und verkündete: „Ich habe eine schlechte Nachricht.“ Erst nach einer kleinen Pause kam die Erklärung: „Es regnet nicht.“ Einsetzender Regen - wie so oft in den vergangenen Jahren - führe beim Open-Air-Theater zu einer besonderen Solidarität zwischen Ensemble und Publikum, so seine These.
Gemeinsamkeit stiftender Regen soll - glaubt man den Wettervorschauen - bis zum Ende der „Weißen Nächte“ am Sonntag ausbleiben. Altsaxophonistin Greta Schaller konnte jedenfalls den musikalischen Auftakt auf der „Seebühne“ noch barfuß und im Sommerkleid absolvieren. Was ihr Marimba-Sax-Duo mit Simon Roloff bot, war eine feinsinnige, nuancenreiche Reise durch die Musikgeschichte von Bach über Piazzolla bis hin zu zeitgenössischem Jazz. Kein Jazz-Duo war da am Werke, sondern Musiker, die hörbar aus der klassischen Tradition kommen. Greta Schaller mit kontrolliertem Ton und sensibel abgestuften Klangfarben und der alle rhythmischen und harmonischen Möglichkeiten des Marimbaphons auslotende Simon Roloff bildeten ein Duo, das genaues Hinhören verdiente.
Improvisation von Ciulli wurde zu Mühlheimer Stadtgeschichte
Inzwischen waren die Schatten länger geworden, im sattgrünen Park gingen vereinzelte Lampen an und es begann die Stunde der Schauspieler. „Wer hat meine Schuhe vergraben?“, die fünf Jahre alte Improvisation von Ciulli und seinem Ensemble zur Mülheimer Stadtgeschichte, wurde in und um einen großen Sandkasten gespielt. Ein leichter Wind kam auf und klug waren diejenigen, die eine Jacke gegen die Abendkühle eingepackt hatte. Sie konnten die pantomimischen Qualitäten des Mülheimer Ensemble entspannter genießen, als einige Besucher, die im T-Shirt fröstelten - oder verfroren und verfrüht den Theaterabend abbrachen.
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Die Suche nach dem Meer, Faschismus, Krieg und die an ein Wunder grenzende Rettung eines Kindes, das die Bombardierung Mülheims unverletzt in einem Schrank überlebte, wird in einfachen, aber emotionalen Bilder erzählt. Viele Requisiten braucht die fast stumme Inszenierung nicht. Ein Schrank kann Beichtstuhl, Duschkabine, Altar oder Grab sein. Poetisch und bitter zugleich das auf das Wirtschaftswunder anspielende Schlussbild im fast dunklen Park: Das ganze Ensemble liegt im Sandkasten, vor sich kleine beleuchtete Häuschen. Mit seligem Blick hält es Konsumgüter wie Kinder in den Armen. Dann kommt eine große Plastikplane - das Meer? - und deckt die schlummernde Gesellschaft zu.