Mülheim.

Wo und wie leben im Alter? Das Schlüsselwort heißt „Quartier“, in dem jeder möglichst lange selbstbestimmt leben kann und die Hilfe im direkten Umfeld bekommt, die er benötigt. Es ist das Modell, für das die Gesundheitsministerin des Landes, Barbara Steffens, vehement eintritt. Sie will keine weiteren Pflegeheime. „Gelebte Nachbarschaft“, die ambulante und stationäre Einrichtungen um die Ecke mit einbindet, ebenso wie Netzwerke von Menschen, die anderen helfen – darin sieht die Ministerin aus Mülheim die Zukunft.

Für Jörg Marx, Projektkoordinator im Sozialdezernat der Stadt, ist es entscheidend, dass die Bürger für eine solche Quartiersentwicklung eigene Kräfte mobilisieren, die Herausforderungen selbst steuern, und das nicht erst im Alter.

In Mülheim stehen die Chancen dafür gut, wie Heinz Rinas, Geschäftsführer der Mülheimer Seniorendienste im Gespräch mit der WAZ betont. Erste Ansätze sieht er etwa beim Haus Kuhlendahl, das Tagespflege und stationäre Pflege anbietet, über einen ambulanten Dienst verfügt und wo sich quasi um die Ecke das betreute Wohnen des Mülheimer Wohnungsbau befindet. „Was wir in Zukunft vermehrt bräuchten, sind große Wohneinheiten für Wohngruppen für zehn bis 15 Personen, also schon Wohnflächen von 300 Quadratmetern“, sagt Rinas. Diese Wohngruppen könnten sich die Hilfen ins Haus holen, sich die Kosten teilen – allemal wäre dies billiger als die Heimunterbringung.

Personalschlüssel wurde nicht angepasst

1835 Heimplätze werden derzeit in Mülheim am Markt angeboten. Vorbei sind die Zeiten, in denen es Engpässe gab. „Die Lage ist entspannt“, sagt Peter Todt, Abteilungsleiter im Sozialamt. Mit der Öffnung des Marktes seien viele neue Heimplätze in den vergangenen Jahren entstanden. Beliebt sind diese nicht. Wer irgendwie kann, meidet sie. Bei einer Diskussionsrunde zum „Leben im Alter“, zu der die Grünen in die VHS jetzt eingeladen hatten, fallen die Bewertungen von Heimen nicht gut aus – auch wenn viele inzwischen Qualitätsauszeichnungen tragen.

Für Heinz Rinas ist das Image nicht verwunderlich: Vor sechs bis zehn Jahren betrug das Durchschnittsalter in Heimen 73, heute sind es 84,5 Jahre. Die Aufenthaltsdauer betrug früher viereinhalb Jahre, heute sind es nur noch knapp sieben Monate. Und: „Zwei von drei alten Menschen im Heim sind heute schwerst pflegebedürftig.“ Doch der Personalschlüssel, und das sei das perfide, sei nicht angepasst worden, beklagt Rinas. Zugleich muss jeder, der in dieses System gerät, mehr ausgeben für sein Leben als oft je zuvor – meist alles, was er besitzt.