Pflege, so teuer, dass sie sich die Patienten nicht mehr leisten können. Sogar von Abbestellung der Pflege-Leistungen ist die Rede. Zumindest in einem Szenario, dass sich landesweit im ambulanten Pflegedienst abzeichnen soll (die NRZ berichtete überregional). Schuld ist die im vergangenen Sommer beschlossene Ausbildungsumlage im Pflegedienstleistungssektor. Auf das Problem der zu wenigen Auszubildenden wurde mit einem speziellen Lehrstellen-Fördersystem reagiert. Alle Pflegedienste zahlen nun einen Beitrag, und bekommen diesen wieder, wenn sie Lehrstellenplätze schaffen. Sonst nicht. Preiserhöhungen von bis zu 14 Prozent können die Folge sein, Leidtragende sind letztlich die Kunden. Zumindest in der Theorie. Denn in Mülheim ist das nicht der Fall.

Hier können die ambulanten Pflegedienste eine solche Preiserhöhung aufgrund der Pflegeumlage, so der bürokratische Begriff der Zahlung, nicht bestätigen. „Bei unseren großen Leistungen beträgt die Kostenerhöhung lediglich 1,23 Euro im Monat“, verrät etwa Marc Beckmann, Geschäftsführer vom „das Pflegeteam“. Und relativiert auch diese Zahl sogleich: „Die anderen Dienste haben ihre Kosten schon seit Jahren immer wieder erhöht. Wir sind nun erst durch die gesetzlichen Verpflichtungen dazu getrieben worden.“ Eine solche Neuberechnung findet alljährlich statt. Gabriele Panz, Inhaberin des Pflegedienstes „Ambulante Zukunft“: „Die Altenpflegeumlage wird jedes Jahr neu berechnet, geringfügige Kostenveränderungen sind daher normal. Wir informieren unsere Patienten dann immer rechtzeitig. Leistungen reduziert hat aber noch niemand.“ Bei einer Erhöhung von neun Cent pro Monat bei der Grundpflege auch nicht verwunderlich.

Deutlich teurer wird es dafür bei dem zur Contilia-Gruppe gehörenden Pflege-Dienst „Lindenblüten“: 6,5 Prozent Preisaufschlag, umgelegt auf den Patienten, ergibt die Nachfrage beim für den Senioren-Bereich zuständigen Geschäftsführer Rainer Knüpp. Dies sei auch die Quittung für lediglich zwei Azubi-Plätze, die, so Knüpp „nur wegen der Umschlages eingerichtet wurden.“ Dennoch habe das Unternehmen keinerlei Leistungsabbestellungen erkennen können. Der Blick auf die nackten Zahlen: „Unsere Pflege-Umsätze sind nicht um den gleichen Prozentsatz gesunken.“

Die komplizierten Auswüchse , die das deutsche Pflegesystems angenommen hat, werden für Martin Behmenburg, Geschäftsführer von „Pflege zu Hause“, deutlich: „Azubis haben gar keine Auswirkungen auf den Preis.“ Er erklärt dies anhand des Umrechnens von Pflegeleistungen in Punkte, diese werden zu Werten, die dann kleinste Cent-Beträge beziffern und anschließend mit Pflegekassen verhandelt, gezahlt und wieder zurückgezahlt werden. Das Ergebnis des Fachmanns: „Dennoch profitieren auch wir von dem neuen System. Azubis, die ich früher auf eigene Kosten ausgebildet habe, kann ich nun refinanzieren.“ Die Bruttoarbeitnehmerkosten gibt es zurück, nicht aber die Kosten für Weiterbildungsmaßnahmen der Ausbilder oder deren Arbeitszeitverlust.

Heißt: Trotz Umlage zahlt er drauf. Aber aus gutem Grund. Denn „das Hauptproblem ist vielmehr die Frage, wo bekomme ich neues Personal her.“ Denn nicht wegen seiner Preise gelingt es dem Pflegedienstleiter nicht, weitere Patienten betreuen zu können, sondern schlichtweg, weil es ihm, und nicht nur ihm, am geeigneten Pflegepersonal fehlt.