Mülheim. .

Bald gibt es wieder Zeugnisse, auf denen nicht nur Zensuren stehen, sondern auch der versäumte Unterricht. An den weiterführenden Schulen in Mülheim hat etwa jeder sechste Jugendliche unentschuldigte Fehlzeiten. Meist sind es nur wenige Stunden, manchmal aber auch 50, 100 oder mehr. Ein Problem.

Beliebter Bummelplatz: das Forum. Im dortigen Elektronikmarkt hätten sie schon vor längerer Zeit die Spielekonsolen weggepackt, berichtet ein Mitarbeiter. Weil dort morgens Kinder zockten, die eigentlich in ihre Klasse gehörten. Es käme vor, dass Lehrer, die früh am Hauptbahnhof aus der Bahn steigen, ihre Pappenheimer gleich mit ins Schlepp zur Schule nehmen, weiß Brita Russack. Sie leitet das städtische Bildungsbüro, wo die Fäden in Sachen „Schulabsenz“ zusammenlaufen.

Jüngste Daten

Seit 2007 werden hier die unentschuldigten Fehlzeiten an allen weiterführenden Schulen in Mülheim per Fragebogen erhoben. Die jüngsten Daten beschreiben das Schuljahr 2011/2012 und belegen krasse Unterschiede zwischen den Schulformen. Während es an den Gymnasien nur 6,9 Prozent der Schüler waren, die unentschuldigte Fehlzeiten aufwiesen (mindestens eine geschwänzte Stunde), steigt dieser Wert bei den Gesamtschulen auf 16,6 Prozent, bei Realschulen auf 20 Prozent und bei den Hauptschulen auf 56,2 Prozent.

„Die Gymnasien haben da kein Riesenproblem, denn wer dort nicht klarkommt, wechselt die Schule“, meint Brita Russack. Aber auch an den Gymnasien gibt es Kinder, die überhaupt nicht mehr zum Unterricht erscheinen, es waren zuletzt 0,9 Prozent, an den Hauptschulen 2,8 Prozent.

Sofortiges Intervenieren

Damit es so weit nicht kommt, haben die Schulen verschiedene Strategien. „Wir intervenieren sofort, nach der ersten unentschuldigten Stunde“, sagt Ulrike Nixdorff, Leiterin der Hauptschule am Hexbachtal. Es gibt ein mehrstufiges Verfahren, vom Anruf bei den Eltern über Briefe, persönliche Gespräche, auch mit Schulsozialarbeitern, bis nötigenfalls zum Bußgeldbescheid. Nixdorff weiß: „Ganz oft spielen die häuslichen Gegebenheiten eine Rolle. Eltern halten ihre Kinder nicht ausreichend zum Schulbesuch an.“

Seit Beginn dieses Schuljahres arbeitet ihre Schule im Rahmen eines städtischen Projektes mit dem Zentrum für Ausbildung und berufliche Qualifikation (ZAQ) zusammen. Binnen zwei Jahren soll ein Konzept entwickelt werden, um Schulverweigerung frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen zu entwickeln.

Versäumnisanzeige an das Amt für Kinder, Jugend und Schule möglich 

Denn Blaustunden, vor allem auf dem Abschlusszeugnis, wiegen schwer: „Eine schlechte Mathenote sehen Ausbildungsbetriebe vielleicht noch nach“, meint Brita Russack, „aber unentschuldigte Fehlzeiten, die kommen bei Unternehmen gar nicht gut.“ Schulbesuch ist Pflicht, und sie zu verletzen, kann teuer werden. Weil Bußgelder nicht nur drohen, sondern tatsächlich verhängt werden. Auch in Mülheim.

Wenn Kinder oder Jugendliche eine Woche lang unentschuldigt gefehlt haben, stellt die Schule eine Versäumnisanzeige an das Amt für Kinder, Jugend und Schule. „Dies geschieht etwa 80 Mal pro Jahr“, berichtet Stadtsprecher Volker Wiebels, jedoch nur bezogen auf die Mülheimer Grund-, Haupt- und Förderschulen, die unter städtischer Aufsicht stehen. Rasch reagiert man an der Hauptschule Dümpten: „Bei uns kann es schon ab der achten Fehlstunde ein Bußgeld geben“, erklärt Schulleiterin Ulrike Nixdorff. Sechs bis sieben solcher Fälle hätten sie jährlich. Anzeigen der anderen weiterführenden Schulformen gehen direkt an die Bezirksregierung.

Sozialstunden möglich

Die Bußgeldsätze sind gleich: Je versäumtem Unterrichtstag können 10 Euro verhängt werden, sogar 80 Euro für Verlängerungstage unmittelbar vor oder nach den Ferien. Stets geht zunächst ein Anhörungsbogen an die Familien. In etwa fünf bis zehn Fällen pro Schuljahr werde das Bußgeldverfahren eingestellt, weil nachträglich ein ärztliches Attest eingeht, so Wiebels, „fast immer betrifft das Fehltage vor oder nach den Ferien“.

Jugendliche ab 14 Jahren werden selber zur Verantwortung gezogen. Zahlen sie das Bußgeld nicht, übernimmt das Jugendgericht. Es kann Sozialstunden verhängen, was rund 20 Mal jährlich in Mülheim vorkommt, oder, falls diese verweigert werden, sogar Jugendarrest. „Bei uns kam das bislang selten vor“, sagt Gabriele Klar, Leiterin der Max-Kölges-Schule. „Aber wenn, war es sehr heilsam.“