Mülheim. .

Sie wissen, was die Abkürzung kb bedeutet? Nein? Es heißt: kein Bock! Noch ein Versuch: kp? Kein Plan! Was könnte das mit Philosophie zu tun haben – nichts? Doch, eine Menge. Gehen wir dazu ans Gymnasium Broich.

Natürlich lesen sie dort auch Jean-Jacques Rousseau oder was Freud an Einstein geschrieben hat, und Platon spielt nach wie vor im Philosophie-Unterricht an Gymnasien eine Rolle, betont Peter Leitzen, der das Fach in Broich unterrichtet. Was ihm jedoch jetzt seine Schülerin Jennifer Lisewski (17) auf den Tisch legt, ist bislang etwas Besonderes: Sie hat in ihrer Facharbeit die Kommunikationspraxis per sms unter Oberstufenschülern untersucht, also das, was die Jugendlichen fast ständig über ihre Handys verschicken. Und damit das Ganze auch höheren fachlichen Ansprüchen genügt, erfolgte die Untersuchung unter Berücksichtigung der Kommunikationstheorie von Paul Watzlawick.

20 000 SMS in drei Monaten

„Auf das Thema bin ich eher zufällig gestoßen“, berichtet Jennifer, die die 11. Jahrgangsstufe besucht. Sobald eine Unterrichtsstunde zu Ende sei, griffen fast alle zum Handy und schrieben – sms, Kurznachrichten. 84 Prozent der Schüler in der Oberstufe schreiben am Tag über 100 solcher Kurznachrichten. Der Spitzenwert, den eine Schülerin für den Zeitraum von drei Monaten angab, waren 20 000 sms. Das ist ein Ergebnis der Untersuchung. Und: Drei von vier Schüler erklärten, dass sie sich ein Leben ohne Handy und sms nicht mehr vorstellen können.

75 Fragebögen hat Jennifer Lisewski an Schüler der Stufen 11 und 12 verteilt, jeder hat geantwortet – anonym, aber gerne. Das Ergebnis, so Leitzen, könne als „weitgehend repräsentativ“ angesehen werden.

Inhaltlich geht es bei den Kurznachrichten meist um Freizeitplanung, das gaben 69 Prozent an. Noch höher liegt der Wert (85 vH), wenn es um den Austausch über Freunde geht, und immerhin gaben sogar 65 Prozent der Jugendlichen an, sich Unwichtiges mitzuteilen, um Langeweile zu kompensieren.

Kontakt halten und schnell Neuigkeiten übermitteln 

Wo es um Kommunikation von Menschen geht, ist Philosophie im Spiel, sagt Leitzen. Dass jene kurzen Mitteilungen, die zuweilen nur aus Buchstaben bestehen, oberflächlich sein könnten, glauben 94 Prozent nicht oder eher nicht. 73 Prozent sehen ihre Wünsche bei dieser Form des Kontaktes erfüllt.

Kontakt halten, mehr denn je am Leben der anderen teilhaben und am eigenen Leben andere teilhaben lassen, schnell Neuigkeiten erfahren und mitteilen – das verbirgt sich in erster Linie hinter dem tausendfachen Verschicken von Kurznachrichten. Und was wird aus den klassischen Briefen?

Schüler schreiben kaum noch Briefe

Nun auch danach hat Jennifer Lisewski gefragt: Wann hat Du Deinen letzten ausführlichen Brief geschrieben? Jeder zweite Jugendliche gab an, keine ausführlichen Briefe mehr zu schreiben, und der Rest antwortete mit „irgendwann“.

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Dass die Welt der Abkürzungen das Sprachgefühl schädigen könnte, glaubt Leitzen nicht. Allerdings glaubt er schon, dass die Geduld leidet, das Gefühl, sich für ein Gespräch auch mal länger Zeit zu nehmen, von Angesicht zu Angesicht. Einen beunruhigenden Trend spricht auch Jennifer an: Das unmittelbare Gespräch rücke zumindest teilweise in den Hintegrund, und auch ein Konzentrationsverlust gehe mit sms einher.

Wo sieht die Schülerin ihr Zukunft? Nicht in der Kommunikationsbranche jedenfalls. Sie denkt an die Welt der Zahlen, an die Finanzbehörde.