Braunschweig. .

Fast zeitgleich leuchten im Klassenzimmer etwa 20 Handy-Bildschirme auf. Nach 168 Stunden freiwilligen Verzichts streicheln die Jugendlichen glücklich mit den Fingern über die glatten Oberflächen ihrer Smartphones. Rund 45 Schüler aus zwei zehnten Klassen des Gymnasiums Martino-Katharineum und der Freien Waldorfschule in Braunschweig haben eine Woche im Selbstversuch erlebt, wie es ist, sich nicht jederzeit über SMS oder soziale Netzwerke schreiben zu können.

„Besonders am ersten Tag hat mir das Handy extrem gefehlt“, erinnert sich der 15-jährige Pascal. Verabredungen seien ohne das mobile Internet oft komplizierter, ergänzt die 15-jährige Isabel. „Ich habe das Festnetz wiederentdeckt.“ Allerdings fuhr sie zu einer Party, die spontan abgesagt wurde, allein. Alle ihre Freunde hatten mobile Nachrichten erhalten.

Auch im Alltag haben die Schüler gemerkt, wie sehr sie auf die Geräte angewiesen sind. Fast alle tragen keine Armbanduhren und haben in der Versuchswoche ohne den vergewissernden Blick auf ihr Handy oft Busse und Bahnen verpasst. Da sie ihre Eltern nicht anrufen konnten, mussten sie zu Fuß nach Hause laufen. „Das Zeitgefühl war komplett weg“, erzählt der 15-jährige Julius.

Initiatorin Sarah Winkens vom Braunschweiger Präventionsrat sagt, Ziel des Selbstversuchs seien vor allem die eigenen Erfahrungen. „Die Schüler sollten am eigenen Leib spüren, was der Verzicht mit ihnen macht.“ Die meisten seien ganz gut ohne das Smartphone ausgekommen, sagte Michael Roos von der Jugendhilfe der Diakonie, die sich als Projektpartner engagiert. Anzeichen von Sucht – wie nervöses Verhalten – seien ausgeblieben.

Etwa 80 Prozent der teilnehmenden Schüler zwischen 15 und 16 Jahren besitzen ein internetfähiges Mobiltelefon. Alle nutzen mittlerweile ein Handy. Die Smartphones der Schüler samt den dazugehörenden SIM-Karten wurden für eine Woche in einem Schließfach verwahrt. Während dieser Zeit haben die Schüler ihre Erfahrungen schriftlich festgehalten.

Noch schwieriger wäre es gewesen, für eine Woche auf das Internet zu verzichten, vermutet der 15-jährige Nidal – und erntet zustimmendes Nicken seiner Mitschüler. „Gerade für die Schule gucke ich da viel nach.“ Jedes Mal einen gefragten Begriff in einem Lexikon nachzuschlagen, koste sicher mehr Zeit.

Während der Hausaufgaben sei das Leben ohne Smartphone aber viel entspannter, entgegnet Isabel. Oft werde sie durch die Nachrichten ihrer Freunde abgelenkt und sei auch neugierig zu erfahren, was sie schreiben. „Ich habe wirklich bemerkt, wie viel Zeit ich mit dem Handy verbringe.“

Die Schüler sagen: Das Leben war viel entspannter

Auch während der Pausen und der Wartezeit an Haltestellen sei das Handy oft eine willkommene Ablenkung, sagt Isabel. Erst durch das Experiment habe sie festgestellt, wie unhöflich das gegenüber Mitmenschen sein kann. „Meine Freundin hat mich noch nicht einmal angeguckt, während sie mit mir geredet hat.“

Nur die wenigsten wollen den Umgang mit ihren Smartphones ändern. Isabel will aber künftig das Handy ausschalten, wenn sie sich mit Freunden trifft. Der 15-jährigen Rebecca fällt es schwer, das Handy ganz auszumachen, auch weil sie dann nicht mehr die Uhrzeit sehen kann. „Das ist ein Akt für sich.“