Mülheim.
Dort, wo einmal die Synagoge stand, sitzt Marga Steinwasser in der dritten Etage des Medienhauses. Die gebürtige Argentinierin möchte die längst erloschene Beziehung zu Deutschland wieder aufnehmen, „denn unsere Familie, die über 400 Jahre in Mülheim gelebt hat, musste von einen auf den anderen Tag hier weg“, sagt die zierliche Frau mit der erfrischend offenen Art in fließendem Deutsch. Ihre Großmutter war eine gebürtige Heimann, ihr Vater hieß Steinwasser. Die jüdische Familie lebte an der Bahnstraße 13, wo einst das Schild stand: „Steinwasser & Co. Metallgroßhandel“.
„Nur in Mülheim gibt es niemanden mehr“
Zwischen 1936 und 1939 mussten „sie alle die Stadt verlassen, manche sind im Konzentrationslager umgekommen“, erläutert Marga Steinwasser. Ihr Vater „hatte gerade Abitur gemacht und wollte Schiffskapitän werden“, als das Nazi-Deutschland so bedrohlich wurde, dass die Heimann-Steinwassers die Flucht ergriffen. Sicherheitshalber und wohl aus Visagründen getrennt. Ihrem Vater, der gerade 21 Jahre alt war, gelang es, nach Argentinien zu kommen, seine Eltern verschlug es nach Südafrika. Marga Steinwasser lebt mit ihrer Familie in Buenos Aires, sie hat Verwandte in Afrika, Australien und Dänemark.
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„Nur in Mülheim gibt es niemanden mehr.“ So will sie den Faden wieder aufnehmen – in einem Land und in einer Stadt, die ihr völlig fremd sind. Und sie kann die Gefühlslage ihres Vaters nachempfinden, als er 1938 den Fuß auf Neuland in Südamerika setzte. Wenngleich er dort sofort von Freunden empfangen wurde, weiß Marga Steinwasser von mindestens 15 Mülheimer Familien, die nach Argentinien emigrierten.
Aufarbeitung der Geschichte
Wichtig ist ihr heute, dass der Name „Steinwasser“ wieder im kollektiven Gedächtnis der Stadt einen Klang erhält. Und so ist ihre Ausstellung vom 13. April bis 11. Mai im Medienhaus ein stückweit Aufarbeitung der Geschichte und dürfte auch für Schulklassen interessant sein. Marga Steinwasser ist Künstlerin. In einem stetigen Arbeitsprozess entsteht ihr „textiles Archiv“, an dem sie bereits seit sechs Jahren arbeitet: Transatlantik – Trapo. Letzteres heißt übersetzt „Lappen“.
Dafür hat sie Stoffstücke aus der Küchenschürze der Mutter, Bettwäsche, Putzlappen, einem roten Rock, Sesselüberzügen und allem anderen, was den Moment persönlicher Zeitgeschichte dokumentiert, zusammengenäht. „Trapo“ ist jetzt schon 180 Meter lang. Mit der Hilfe der Mülheimer soll er noch weiter reichen. So rücken Mülheim und Buenos Aires ein bisschen näher aneinander. Symbolisch.