Mülheim.
Pfarrerin Ursula Thomé ist weltweit unterwegs. Sie reist in ferne Länder und trifft dort Frauen, die sich - wie sie selber - für die Gleichstellung von Mann und Frau engagieren.
Internationale ökumenische Frauenarbeit - wie sieht die aus?
Ursula Thomé: Sie ist vielfältig. Ich beispielsweise bin an einem internationalen Frauenprogramm beteiligt, das sich „women-to-women“ nennt und immer wieder jeweils eine Frau aus Afrika, aus Asien und Europa zum Erfahrungs- und Ideenaustausch zusammenbringt. Themen waren dabei in den letzten Jahren zum Beispiel ,Ernährung’ oder auch ,Frauen und Gewalt“ - was vor allem in Asien auch viel mit Menschenhandel und Prostitution zu tun hat.
Wie unterscheidet sich die Situation von Frauen in West-Europa von der in Afrika oder Asien?
Thomé: Wir hier sind in punkto Gleichstellung natürlich etwas weiter, obwohl manches noch gar nicht so lange her ist. Noch vor etwa 35/40 Jahren durften Frauen hier in Deutschland kein eigenes Konto haben. In Afrika oder Asien muss man stark zwischen Stadt und Land unterscheiden. In ländlichen Gegenden versteht man Frauen aufgrund von uralten kulturellen Wertvorstellungen nicht als selbstbestimmte Menschen - sie haben keine Rechte.
Wie lässt sich das ändern?
Thomé: Sobald ein Zugang zu Bildung da ist, verändert sich an dieser Sichtweise etwas. Deshalb muss es unser Ziel sein, diesen Frauen über Hilfsprogramme den Zugang zu Bildung zu verschaffen und zu sichern. Sehr wichtig für Frauen hier wie dort ist es, eigenes Geld zu verdienen. Mikrokredit-Programme für Frauen sind dabei ein wichtiger Baustein.
Was können Europäerinnen von Frauen aus fernen Ländern lernen?
Thomé: Bei Aufenthalten in West-Papua oder Tansania ist mir aufgefallen, dass die Frauen dort bodenständig und in ihrem Dorf verwurzelt sind. Gleichzeitig sind sie aber sehr kämpferisch, setzen sich trotz großer Widerstände in ihrem Umfeld stark für das ein, was sie erreichen wollen. Wie oft habe ich bei dem Besuch für mich gedacht: „Das würde ich nicht schaffen!“ Viele Frauen dort leben aus ihrem Glauben heraus und haben sich Kraftquellen im Alltag geschaffen, die sie immer wieder anzapfen können. Dazu gehört z.B. auch das gemeinsame Singen.
Was lernen diese Frauen von uns?
Thomé: Zum Beispiel die Dinge sachlich und strukturiert anzugehen - und zielstrebig etwas zu planen.
Brauchen Frauen Frauen-Treffen?
Thomé: In reinen Frauengruppen wird ganz anders gesprochen als in gemischten Zirkeln - auch in Afrika und Asien. Weil Frauen dort unbeeinflusst kommunizieren können.
Sie fordern Geschlechter-Gerechtigkeit? Gibt es die schon irgendwo?
Thomé: Wir sind weltweit immer noch auf dem Weg dorthin, auch bei uns in Deutschland. Die Auseinandersetzung über Rollenbilder muss weitergehen. Dabei müssen Männer und Frauen aber gemeinsam agieren. Denn: Frauenleben haben sich in den letzten Jahrzehnten ziemlich verändert, die Männer müssen aber noch mehr nachziehen. Frauen kombinieren Familie und Beruf, organisieren sich Teilzeitarbeit, Tagesmütter, uvm. Das tun übrigens auch gebildete Frauen in Afrika, und dabei werden dann wieder Mädchen aus den Dörfern als billige Haushaltshilfen ausgenutzt. Männer müssen also mehr tun - bei der Kinderbetreuung und im Haushalt. Sie sollten sich nicht mehr nur über Ihren Vollzeit-Job definieren.
Und die ev. Kirche?
Thomé: Sollte der feministischen Theologie weiter Platz geben. Es ist wichtig, die Bibel auch aus Frauensicht zu lesen. Die Zahl der Pfarrerinnen nimmt weiter zu, momentan ist ca. ein Drittel der Pfarrer weiblich.
In Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung
Der Gemeindedienst für Mission und Ökumene (GMÖ) ist eine Einrichtung der Ev. Kirche im Rheinland, arbeitet für die Kirchenkreise An der Ruhr, Duisburg, Essen und Oberhausen und hat seinen Sitz an der Kaiserstraße 6 in Mülheim. Derzeit sind dort neben Pfarrerin Ursula Thomé noch Bildungsreferent Claudio Gnypek und Sabrina Altenkamp (Büro) beschäftigt. „Unser Ziel ist es, das Engagement für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung im globalen Zusammenhang zu unterstützen und zu fördern“, erklären sie.
Der GMÖ leistet Bildungsarbeit, fördert internationale Partnerschaften und macht entwicklungspolitische Bildungsangebote in Form von Vorträgen, Aktionstagen, Workshops, etc. „Jede Gemeinde, aber auch jede Gruppe in einer Gemeinde kann unsere Bildungsangebote buchen. Wir bieten auch Unterstützung bei der Konzeption und Durchführung von Themen-Gottesdienste an“, so Ursula Thomé. In 2013 hat der GMÖ u.a. Vorträge und Seminare zu den Themen Klimawandel, Frauenleben, Coca-Cola-Konsum, Handy-Produktion oder Fairer Handel im Programm.
Filme, Arbeitshefte oder Materialkoffer (z.B. zu einem Kakao-Workshop) kann das GMÖ-Team ebenfalls zur Verfügung stellen. „Wir beraten die Gemeinden aber auch, wenn sie eine Kirchenpartnerschaft gründen wollen, Partnerschaftsbesuche oder -projekte planen“, sagt die Pfarrerin. Der GMÖ sei zudem in überkirchlichen Netzwerken (z.B. zum „fair trade“) und in kreissynodalen Ausschüssen vertreten