Mülheim.

Vom Münsterland bis ins Niederbergische – so weit reicht 2013 das Verbreitungsgebiet der Rheinisch-Westfälischen Wasserwerksgesellschaft (RWW) aus direkter Versorgung und Weiterverteilung.

Die Gründungsväter, denen es vor genau 100 Jahren darum ging, eine bessere flächendeckende Wasserversorgung für Bevölkerung und Industrie zu etablieren, dürften stolz und erstaunt sein, was aus ihrem Unternehmen geworden ist: eine Erfolgsgeschichte, die heutiges Kirchturmdenken im Ruhrgebiet in den Schatten stellt.

Demografie und Energiewende

Das runde Jubiläum feierten daher Führung, Gesellschafter und Politik am Samstag mit einem Festakt im Styrumer „Aquatorium“, bei dem NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die Herausforderungen der Zukunft betonte. 825 000 versorgte Bürger, ein Rohrnetz von 2900 Kilometern, 449 Mitarbeiter, ein Umsatz in 2012 von 105 Millionen Euro, 82,5 Millionen Kubikmeter Wasser und neun Wasserwerke – so lautet die eindrucksvolle Bilanz der Gegenwart. Hält man das Stammkapital der Gesellschaft von 100.000 Mark aus dem Gründungsjahr 1913 dagegen, wird deutlich, in welchen Dimensionen das einstige Wasserwerk sich zum modernen Wasserdienstleister entwickelt hat.

„Damals war zuverlässige Wasserversorgung ein Luxus. Heute ist sie selbstverständlich“, sagte RWW-Geschäftsführer Dr. Franz-Josef Schulte. Als künftige Herausforderung nannte er den demografischen Wandel und die Energiewende, der man begegnen wolle, indem man den Energiebedarf vermehrt durch eigene Quellen deckt, etwa durch Windräder oder Photovoltaik.

Schutz der Ressource Wasser

Aufsichtsratsvorsitzender Bernd Böddeling hob die Kundenzufriedenheit hervor: „Bei einer Befragung im letzten Jahr zeigten sich 83 Prozent zufrieden mit der Wasserversorgung.“ OB Dagmar Mühlenfeld betonte die Bedeutung des RWW für die Stadt und lobte auch das soziale Engagement: „Das Unternehmen ist für Mülheim mehr als ,nur‘ ein Wasserversorger. RWW prägt das Leben in unserer Stadt in vielfältiger Hinsicht.“

Dass 100 Jahre nicht nur einen Rückblick erfordern, verdeutlichte Landesmutter Hannelore Kraft: „Wir müssen dranbleiben. Der Schutz der Ressource Wasser ist ein außerordentlich wichtiges Ziel.“ Dazu gehöre, mehr Schadstoffe herauszufiltern, etwa Arzneimittelrückstände oder Nanopartikel, wie sie in der Sportbekleidung bei der Wäsche abgerieben würden. Applaus erntete Kraft für ihre Absage an Brüsseler EU-Pläne, die Wasserversorgung verpflichtend auszuschreiben: „Wir brauchen in diesem Punkt keine europäische Lösung.“ Wasser sei kein Konsumgut, sondern eine Lebensgrundlage.

Kleine RWW-Chronik

  • Ende 1912: Unter Mülheims Federführung schließen sich die Stadt am Fluss, der Kreis Recklinghausen und die Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk AG (RWE) zusammen, um eine bessere Wasserversorgung zu ermöglichen. Das Thyssen-Wasserwerk wird in RWW umfirmiert.
  • Januar 1913: Die RWW nimmt ihre Arbeit auf, versorgt werden Mülheim, Oberhausen, Bottrop, Gladbeck, Dorsten, Hamborn, Meiderich, Breitscheid, Borbeck und Horst.
  • 1926 geht das Ruhr-Wasserkraftwerk am Kahlenberg in Betrieb. 1928 wird die Hauptverwaltung an der Schlossbrücke bezogen. Im Zweiten Weltkrieg kommen auch Zwangsarbeiterinnen bei der RWW zum Einsatz, sie werden später über den Fonds der deutschen Wirtschaft entschädigt, an dem sich die RWW beteiligt. 1944 übernimmt man das Wasserwerk Kettwig. 1956 nehmen das Pumpwerk und die Schnellfilteranlage in Styrum-West ihre Arbeit auf.
  • 1973 ist das Werk an der Dohne umgebaut, elektrifiziert. 1977 wird dort erstmals das „Mülheimer Verfahren“ für biologische Trinkwasseraufbereitung ohne Chlor angewandt.
  • 1986 wird das Institut für Wasserforschung (IWW) in Mülheim gegründet. 1992 eröffnen Haus Ruhrnatur und Aquarius Wassermuseum. 2002 kommt die Veranstaltungsstätte „Aquatorium“ in Styrum hinzu.