Mülheim.
Missbrauchsskandal, abgewiesene Frauen in Not, eine erneut drohende Austrittwelle – die katholische Kirche in einer Dauerkrise, deren Ende sie noch nicht absieht? Es gibt nach wie vor ganz viele Menschen, die die Kirche aufsuchen, die sich dort Rat holen, die auf der Suche nach Sinn sind, wie Stadtdechant Michael Janßen gestern beim Neujahrsempfang in St. Barbara im Gespräch mit der WAZ betont. „Die Sehnsucht nach einem erfülltem Leben ist sehr, sehr groß“, sagt er und warnt davor, alles schlecht zu reden.
Janßen verweist auf die Bischöfe aus Lateinamerika, die dank Weihbischof Franz Grave, dem früheren Bischof für Adveniat, einen engen Kontakt zu Mülheim pflegen. „Diese Bischöfe sagen uns immer: Eure Sorgen möchten wir haben.“ Lernen von diesen Priestern bedeutet für den Stadtdechanten auch, kleine Gemeinschaften in immer größer werdenden Gemeinden zu bilden.
2006 wurden in Mülheim die Pfarrgemeinden neu zugeschnitten. Es entstanden mit St. Mariae Geburt, St. Barbara und St. Mariae Himmelfahrt drei Großpfarreien. „Wir sind nach dieser Umstrukturierung auf einem guten gangbaren Weg“, sagt der Stadtdechant und weiß, dass für viele die Schließung von Kirchen schmerzhaft war.
„Pflichterfüllung im Kleinen“
Auch für die Eheleute Elisabeth und Friedrich Engelbert. Sie wird in diesem Jahr 78, er 86 Jahre. Es ist ein Ehepaar aus Mülheim, das sieben Kinder großgezogen hat und sich in seinem Leben sehr für Kirche engagiert hat, auf ganz unterschiedlichen Gebieten, stets ehrenamtlich. Vor allem taten sie das in St. Raphael, jener Kirche, die der Bischof aufgab. „Sie hätten allen Grund gehabt zu sagen: Es reicht uns. Sie hätten resignieren können“, sagt der Diözesanvorsitzender der KAB, Johannes Strickerschmidt. Doch sie gaben nicht auf, machten in ihrer neuen Gemeinde St. Mariae Geburt dort weiter, wo in St. Raphael aufgehört hatten.
Die Stadtkirche würdigte diesen Einsatz mit der Nikolaus-Groß-Medaille, in Gedenken an den einzigen Seligen des Bistums, Nikolaus Groß. Jener hatte stets die „Pflichterfüllung im Kleinen“ als wertvoll herausgestellt.
Für den Stadtdechanten ist das Ehepaar ein Vorbild und ein Beispiel dafür, wie lebendig Kirche nach wie vor ist. Der Vorsitzende des Katholikenrates in Mülheim, Wolfgang Feldmann, hat ein anders Beispiel: Das Barbara- Mahl Ende vergangenen Jahren brachte viele Menschen aus der Stadtgesellschaft zusammen, die über die Freiheit von Religion diskutierten – und Gutes taten. Eine Spende von je 6000 Euro aus dem Mahl erhielten jetzt die Leiterinnen des ambulanten und des stationären Hospiz.