Mülheim. . Das Thema „Kirche und Sexualität“ polarisiert, auch durch die zahlreichen Missbrauchsskandale innerhalb der Kirche. Die Katholische Akademie „Die „Wolfsburg“ wagte sich jetzt in einer Veranstaltung im Bistum Essen an dieses Thema. Mehr als 200 Zuhörer kamen.

Das Thema „Kirche und Sexualität“ – es polarisiert, auch weil es durch die Missbrauchsskandale neu angeheizt wurde. Die Katholische Akademie „Die „Wolfsburg“ wagte sich jetzt in einer Veranstaltung des Dialogprozesses im Bistum Essen an dieses „heiße Eisen“. Mehr als 200 Zuhörer kamen, darunter laut Bistum „auch Homosexuelle“.

Auf dem Podium saßen Fachleute, die sich aus unterschiedlichen Erfahrungswelten zur katholischen Sexualethik positionierten: Neben Bischof Franz-Josef Overbeck waren es der Moraltheologe Professor Dr. Konrad Hilpert (München), der Bonner Psychoanalytiker und Beratungsstellenleiter Dr. Elmar Struck und die Hamburger Sexualforscherin Prof. Hertha Richter-Appelt.

Überkommene Sexualmoral der Kirche?

Letztere warf der Kirche vor, nicht zur Kenntnis zu nehmen, dass sich die Sichtweise von Sexualität in der Gesellschaft verändert habe. „Sexualität ist ein natürliches Bedürfnis, das bestimmten Regeln unterliegen muss, aber nicht allein der Zeugung dienen darf.“ Sexualität nur mit Reproduktion zu koppeln, sei „überholt“.

Sexualität sei im Leben eines Menschen ein „wichtiger Faktor, um Befriedigung zu bekommen“ und ein wichtiger Bestandteil von Bindung und Beziehung. Ob gleich- oder gegengeschlechtliche Sexualität – entscheidendes moralisches Kriterium müsse sein, ob man sich selbst oder anderen schade.

Mehr "Transparenz, Offenheit und Entschiedenheit"

Der Bischof forderte eine „neue Transparenz, Offenheit und Entschiedenheit“ sowie ein „neues ethisches Sprechen über Sexualität“. Er räumte ein, dass viele Menschen Schwierigkeiten mit der kirchlichen Autorität hätten – nicht nur in Fragen der Sexualität. Die Tradition der Kirche werde bei vielen gerade hinsichtlich der Sexualmoral als „sperrig“ empfunden.

„Doch wie kann die sperrige Tradition Trittsicherheit für Neues sein?“, fragte Overbeck und erinnerte an die „Schätze“ der kirchlichen Tradition, dass Sexualität in das weite Feld der Liebe eingebettet sei, dass Ehe und Familie für Frauen und Männer einen Schutzraum darstellten und dass das Wohl des Kindes in den Bereich von Sexualität und Liebe gehöre.

Revision der traditionellen Sexualmoral der Kirche?

„Tradition darf aber nicht zu einer Verbotsmoral führen“, so der Bischof. Es gehöre zum Menschen, sexuell zu sein. Doch daraus folge eine „hohe moralische Anforderung“.

Professor Hilpert mahnte eine Revision der traditionellen Sexualmoral der Kirche an. Die Verbindung zwischen Sexualität und Zeugung in der kirchlichen Lehre sei zu starr. Sexualität solle nicht einer Verbots-, sondern einer Tugendmoral folgen, die sich an positiven Werten wie Treue, Liebe sowie vorbehaltloser und ganzheitliche Annahme orientiere – in Abgrenzung zu Missbrauch und Gewalt in Beziehungen, sexueller Verwahrlosung von Kindern, Pornografie, Intersexualität oder interkulturellen Beziehungen.

Auch Geschiedene oder getrennt Lebende miteinbeziehen

Mehr von Werten auszugehen als von Normen, dafür sprach sich auch der Leiter der Katholischen Ehe-, Familien- und Lebensberatung Bonn, Dr. Elmar Struck, aus. Auch er hält die enge Koppelung von Sexualität an Ehe und Familie für problematisch.

Mit Blick auf Geschiedene, getrennt Lebende, Singles und Homosexuelle meinte der Lebensberater: „Wir müssen freundlichere Antworten für die finden, die nicht in einer Ehe leben.“