Selbeck. .

Am Schreibtisch hält es Uwe Wolfs nie lange. Er ist lieber unterwegs, draußen im Dorf, in den Wohngruppen, bei seinen Mitarbeitern, bei den Bewohnern. Er ist gerne „am Puls“, wie er es selbst nennt.

Uwe Wolfs ist jemand, der den Herzschlag des Fliedner-Dorfs bestens kennt: Der Leiter des Bereichs „Wohnen im Alter“ arbeitet seit der Eröffnung vor 25 Jahren im Dorf. Uwe Wolfs weiß, wovon er spricht, wenn er sagt: „Menschen, die sich einen sozialen Beruf aussuchen, wollen kein riesiges Adminis­trationsgebäude.“ Heute mag er Teil der Administration sein, einst war seine Berufswahl eine klare Entscheidung für die Arbeit mit Menschen und gegen das Papier – und auch gegen die Waffe.

Vom Verwaltungsangestellten zum Altenpfleger

Aber der Reihe nach: Zuerst machte der Saarner eine Ausbildung zum Verwaltungsangestellten. Dann stand der Wehrdienst an. „Darüber“, sagt er, „habe ich mir nicht viele Gedanken gemacht.“ So ging er zum Bund, um festzustellen: Das ist nichts für mich. Während des Wehrdienstes suchte er sich eine Zivi-Stelle, denn nur so konnte er verweigern. „Ich war in der Jugendarbeit aktiv und dachte: Da findet sich schon was.“ Doch es fand sich nichts. So landete er statt in einem Jugend- in einem Altenheim. „Ein glücklicher Zufall“ ist das für Wolfs, denn es war der Beginn eines neuen Werdegangs: Er wurde Altenpfleger.

Angefangen hat Uwe Wolfs im Fliedner-Dorf jedoch im Behinderten-Bereich, denn dieser wurde 1987 zuerst eröffnet. Die ersten Häuser für Senioren wurden 1992 eingeweiht. Eine besondere Stimmung, erinnert sich Wolf, herrschte damals im Dorf: Viele der behinderten Menschen kamen direkt von Mama und Papa. Im Dorf bezogen sie ihre erste eigene Bude, die meisten waren um die 20 Jahre alt.

Immer ältere Menschen benötigen neue Angebote

Sie sind in Selbeck erwachsenen, älter geworden. Eine Veränderung, die für alle Bewohner gelte: „Die Menschen werden immer älter und bedürftiger.“ Früher lag das Durchschnittsalter der Senioren bei 80 Jahren; 90-Jährige waren die Ausnahme. „Mit jedem Jahrzehnt ist das Durchschnittsalter um drei Jahre gestiegen.“ Dem begegnen die Verantwortlichen mit einer Ausdifferenzierung der Angebote.

Stationäre Pflege, Außenwohngruppen zählt Wolfs u.a. auf, zuletzt kam 2010 das Betreute Wohnen hinzu, wo es noch Bedarf gebe. Das Individuelle, sagt der 51-Jährige, ist wichtig in allen Einrichtungen der Fliedner-Stiftung. „Keine Wohngruppe ist wie die andere.“ Immerhin ist auch jeder Mensch anders – ein Grundgedanke, der in den 80ern in der Altenpflege eine Neuerung war, heute aber weiter verbreitet sei.

Demenz ist eine der Herausforderungen der Zukunft 

Herausforderungen gibt es in Zukunft in der Altenpflege genug, die steigende Zahl an Demenz erkrankter Menschen etwa. Im April startet im Dorf ein wissenschaftlich begleitetes Projekt, das ergründen will, wie sich Demente in öffentlichen Grünanlagen orientieren. Ein Projekt zum Thema „Alter und Sucht“ ist zudem angedacht.

Das steigende Alter der Senioren, die oft eine Vielzahl von Erkrankungen mitbringen, macht ihre Pflege immer komplexer. Zusätzlich erschwert, sagt Uwe Wolfs, werde die tägliche Arbeit durch die stetig steigende Bürokratisierung, die das erträgliche Maß überschritten habe: „Es kann so nicht weitergehen, sonst werden viele ihrem Beruf den Rücken kehren oder an ihm zerbrechen.“ Das sagt er als einer, der sich einst gegen das Papier entschied und für den Menschen. Denn kaum ein anderer Beruf berührt so sehr die Privat- und Intimsphäre eines anderen, hilfebedürftigen Menschen.

Das Wichtigste ist Beziehungsarbeit

„Es besteht ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis, das ein hohes Maß an Verantwortung erfordert.“ Oftmals müssten Altenpfleger Entscheidungen treffen, die auch die „geringsten Bedürfnisse“ beträfen. Hat der Gepflegte Durst? Was möchte er essen? „Dazu braucht es viel Beziehungsarbeit. Man muss die Menschen kennen, dann kann ich gute Entscheidungen treffen.“ Und eben deshalb hält es ihn bis heute nicht lange am Schreibtisch.