Mülheim. .
Fast auf den Tag genau ein Jahr ist es her, dass der Kreuzfahrt-Koloss vor der italienischen Insel Giglio auf Grund lief. Bei dem Unglück starben 32 Menschen. Die Bilder der schräg liegenden Costa Concordia gingen im Januar 2012 um die Welt. Karin und Dieter Wallrafen gehen sie nicht mehr aus dem Kopf. Sie haben noch genau vor Augen, wie sich das Schiff unter ihnen zur Seite bog, sie frierend ins Rettungsboot kletterten. Das Ehepaar aus der Heimaterde verließ als zwei der letzten Passagiere das sinkende Boot. Auch heute ist das Unglück immer noch präsent.
150 Menschen im Rettungsboot
Mit nichts außer ihren Bordkarten kam das Ehepaar nach nur zwei Tagen Kreuzfahrt zurück nach Hause. Erleichtert empfingen sie ihre Familie und Freunde damals. 16 Stunden Martyrium hatten die beiden da hinter sich: Sie saßen gerade im Bord-Theater, als es plötzlich rumste und das Licht erlosch. Passagiere mit Schwimmwesten stürmten in den Saal, „da wussten wir, dass es ernst ist“, erinnert sich Dieter Wallrafen.
Als sie ins unterste Deck eilten, um selbst Westen zu holen, hatte sich der Teppich ihrer Kabine bereits mit Seewasser vollgesogen. Zusammen mit 150 anderen Menschen schafften sie es in eines der letzten Rettungsboote –Hektik kam auf. „Die Mannschaft bemühte sich, das volle Rettungsboot zu Wasser zu lassen, doch die starke Neigung verhinderte das.“ Panik brach aus, Passagiere schrien durcheinander. Schließlich schaukelte die Crew das Boot so, dass es rumpelnd über die Bordwand rutschte und ins Wasser platschte. Zusammen schafften sie es bis zum Ufer der Insel Giglio.
„Was wäre, wenn“
Seitdem kreist das „Was wäre, wenn“ in ihren Köpfen. „Was, wenn wir anstatt ins Theater in unsere Kabine gegangen wären?“, fragt Dieter Wallrafen. „Wir wären wohl im Schlaf ertrunken.“ Zeit, solche Gedanken aufkommen zu lassen, blieb den Wallrafens aber kaum. Nur einen Monat später brachen sie erneut zur See auf. Die Reise mit einem Schwesternschiff, der Costa Serena, hatten sie bereits vor der Unglücksfahrt gebucht.
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„Das ist uns nicht leicht gefallen“, sagen die beiden heute. „So ein Ereignis vergisst man nicht so einfach.“ Die Wallrafens reisen aber leidenschaftlich gerne – und dachten sich: „Wenn wir jetzt nicht einsteigen, kommen wir vielleicht nie darüber hinweg.“ Diese zweite Fahrt führte sie wieder auf eine ähnliche Route, vorbei am Wrack der Costa Concordia. „Ein komisches Gefühl“, erinnert sich Dieter Wallrafen. „Freunde an Bord konnten uns aber gut ablenken.“
Nach vorne blicken
Eine Abfindung und ein Entschuldigungsschreiben der Reederei hat das Ehepaar mittlerweile erhalten, dafür gab es viel Papierkram zu bewältigen. Den Jahrestag wollen sie nicht damit verbringen, das Erlebte erneut durchzuspielen. Sie blicken lieber nach vorne, an kommende Reisen. Dafür stoßen sie am 13. mit Freunden an – auf das Leben. „Auf unsere Wiedergeburt.“
Auch der Mülheimer Marc Aßhauer, seine Partnerin Katja Roggenbuck und die gemeinsame Tochter Sina überstanden die Unglücksfahrt mit der Costa Concordia. „Es hat sich einiges verändert“, berichtet Marc Aßhauer heute. „Ich kann nicht sagen, ob ich noch mal auf ein Schiff steigen werde und auch das Fliegen ist kein Spaß mehr.“ Im September reisten Marc und Katja noch einmal nach Giglio, um das Wrack aus der Nähe zu betrachten. „Bei Tageslicht hat man gesehen, wie sinnlos das Manöver so nah vor den Felsen war.“ Die Reise habe ein wenig geholfen, das Ganze zu verarbeiten. Einen Abschluss hat die Familie aber nicht gefunden. „Wir streiten immer noch mit der Reederei.“